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Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat

Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat

Titel: Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat
Autoren: Pierre Bayard
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Sektoren aufgeteilt ist, die von Frankreich, England, den Vereinigten Staaten und der UdSSR verwaltet werden.
    Martins hat sich auf Einladung seines Jugendfreundes Harry Lime nach Wien begeben. Als er jedoch Limes Wohnung aufsucht, erfährt er, dass dieser beim Verlassen seines Hauses von einem Auto überfahren und tödlich verletzt worden ist. Er geht zum Friedhof, auf dem gerade die Beerdigung stattfindet, und lernt dabei Anna, die Geliebte Limes, kennen sowie Calloway, einen Mann der Militärpolizei.
    Als er in den folgenden Tagen Zeugen befragt, stößt er in ihren Berichten auf Ungereimtheiten und gelangt zu der Überzeugung, dass sein Freund nicht Opfer eines Unfalls, sondern eines Mordes geworden ist. Auch Calloway hat Zweifel an den Umständen von Limes Tod, allerdings aus anderen Gründen. Er weiß, dass dieser nicht nur der aufmerksame Freund war, als den ihn Martins in Erinnerung behalten hat, sondern auch ein skrupelloser Verbrecher, der sich in den Wirren der Nachkriegszeit durch Schieberei mit gestrecktem Penizillin bereicherte, dessen Einnahme für seine Kunden tödlich sein kann.
    Als Martins eines Tages aus Annas Haus tritt, in die er sich mittlerweile verliebt hat, bemerkt er einen Mann, der ihm aufgelauert hat und sich als Lime entpuppt. Dieser ist tatsächlich noch immer am Leben, hat aber aus Angst vor einer Verhaftung mithilfe von Komplizen seinen eigenen Tod inszeniert.
    Durch Vermittlung eines dieser Komplizen verlangt Martins, Lime wiederzusehen. Das Treffen findet im Riesenrad des Wiener Praters statt. Lime stellt sich als der sympathische Junge dar, den Martins seit seiner Kindheit kennt, lässt aber für Momente auch Züge eines gewissenlosenMenschen durchscheinen, den das Schicksal seiner Opfer kaltlässt.
    Entsetzt darüber, was aus seinem Freund geworden ist, beschließt Martins, mit der Polizei zusammenzuarbeiten und ihn in eine Falle zu locken, indem er ein zweites Treffen organisiert. Doch Lime kann sich in ein unterirdisches Kanalnetz flüchten, wo er angeschossen wird und Harry ihm schließlich, um ihm weitere Qualen zu ersparen, den Gnadenschuss gibt, bevor er Wien gemeinsam mit Anna verlässt.
    ∗
    Dieser kriminalistische Haupterzählstrang wird durch einen zweiten, humoristischeren ergänzt, der mit der beruflichen Tätigkeit Martins’ zusammenhängt. Dieser ist Schriftsteller, auch wenn er diese Bezeichnung nicht für sich in Anspruch nimmt. Seine Bescheidenheit erklärt sich dadurch, dass er keine große Literatur schreibt, sondern unter dem Pseudonym Buck Dexter »Westernromane« mit so vielsagenden Titeln wie
Der Todesreiter von Santa Fé
[ 3 ] verfasst.
    Das Pseudonym Buck Dexter führt zu einem Missverständnis, das über das ganze Buch anhält. Denn Martins wird von der Kulturabteilung der Botschaft mit einem anderen Dexter verwechselt, einem elitären Romancier, der den Vornamen Benjamin trägt und sich mit Werken wie
Der krumme Schiffsschnabel[ 4 ]
im Dunstkreis von Henry James bewegt.
    Martins hütet sich allerdings, die Verwechslung aufzudecken,denn er ist ohne Geld nach Wien gekommen, und seine neue Identität hat ihn in den Genuss eines Hotelzimmers gebracht, von dem aus er seine Untersuchungen vorantreiben kann. Dafür aber ist er gezwungen, dem Repräsentanten der Kulturabteilung, Crabbin, aus dem Weg zu gehen, weil er sonst seinen Verpflichtungen nachkommen müsste.
    Die Sache wird brenzlig, als Martins von Crabbin eines Abends gewaltsam ins Auto verfrachtet wird, damit er vor einem Publikum von Bewunderern einen literarischen Vortrag hält. Als Dexter gerät er so in die Situation, Bücher von Dexter kommentieren zu müssen, Werke, für die er eigentlich Spezialist sein müsste – da man davon ausgeht, dass er mit ihm identisch ist –, während er sie in Wahrheit weder geschrieben noch gelesen hat.
    ∗
    Dexters Lage ist umso komplexer, als der andere Dexter in einer literarischen Region zu Hause ist, die ihm als Verfasser von Mainstream-Romanen völlig fremd ist. Sodass Martins nicht nur außerstande ist, auf Fragen aus dem Publikum zu antworten, sondern meistens nicht einmal deren Sinn versteht:
    »Martins überhörte die erste Frage vollständig, aber zum Glück sprang Crabbin in die Bresche und beantwortete sie zufriedenstellend.«[ 5 ]
    Martins’ Schwierigkeiten scheinen unüberwindlich, da er es nicht mit einer beliebigen Gruppe von Lesern zu tun hat, sondern mit einem Kreis von Liebhabern, die für die Literatur an sich und für »seine« Werke im
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