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Wie man mit einem Lachs verreist

Wie man mit einem Lachs verreist

Titel: Wie man mit einem Lachs verreist
Autoren: Umberto Eco
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Papstes und des Lombardischen Bundes erbauen zu
    lassen, die sich Barbarossa hartnäckig widersetzt, aber dann nicht an der Schlacht von Legnano teilnimmt. Einer Stadt, von der die Legende geht, die Königin Pedoca sei aus Deutschland gekommen, um sie zu belagern, und als sie ankam, habe sie Weinstöcke angepflanzt und geschworen, nicht fortzugehen, ehe sie nicht Wein aus den Trauben dieser Reben getrunken habe. Die Belagerung dauerte sieben Jahre, aber eine
    Fortsetzung der Legende besagt, daß Pedoca, als sie von den Alessandrinern besiegt worden war, sich in ein wüstes Ritual der Wut und Zerstörung stürzte, indem sie den Wein aus ihren Fässern auf die trockene Erde goß, als ob sie mystisch ein großes barbarisches Blutopfer andeuten wollte. Pedoca, die phantastische und poetische Königin, die sich selber bestraft, indem sie auf ihr Vergnügen verzichtet, um sich an einem Blutbad zu berauschen, sei's auch nur einem symbolischen ...
    Die Alessandriner sehen zu, nehmen die Sache zur Kenntnis und ziehen als einzigen Schluß daraus die Lehre, daß sie, um jemandes Dummheit zu bezeichnen, in Zukunft sagen müssen, er sei »fürb c'me Pedoca« (schlau wie Pedoca).
    Alessandria ist es auch, wo der heilige Franz von Assisi auf der Durchreise einen Wolf bekehrt, genau wie in Gubbio, nur daß Gubbio daraus eine endlos lange Geschichte macht, während Alessandria die Sache vergißt, was hat ein Heiliger anderes zu tun, als Wölfe zu bekehren? Und außerdem, wie sollten die Alessandriner ihn auch verstehen, diesen leicht theatralischen und leicht hysterischen Umbrier, der zu den Vögeln spricht, anstatt zur Arbeit zu gehen?
    An ihren Geschäften interessiert, führen die Alessandriner Kriege und zetteln Händel an, aber als sie im Jahre 1282 die Ketten von der Zugbrücke in Pavia abnehmen und sie in ihrem Dom als Trophäe ausstellen, nimmt der Sakristan sie nach einer Weile weg, um damit den Kamin in seiner Küche
    auszurüsten, und niemand merkt es. Sie plündern Casale und
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    rauben den Engel, der auf dem Turm der Kathedrale steht, aber wie's eben so geht, am Ende verlieren sie ihn.
    Wer den bei Sugar in Mailand erschienenen „Führer durch das sagenhafte, mysteriöse, ungewöhnliche und phantastische Italien“ („Guida all' Italia leggendaria misteriosa insolita fantastica“) im Einleitungsteil durchblättert, wo eine Reihe von Karten die Verteilung phantastischer Wesen in den Provinzen Norditaliens zeigt, wird sehen, daß die Provinz Alessandria durch Jungfräulichkeit glänzt: Sie hat weder Hexen, Teufel, Feen, Irrlichter, Zauberer, Monster oder Gespenster noch Höhlen, Labyrinthe oder Schätze zu bieten; sie rettet sich mit einem »bizarren Gebäude«, aber man wird zugeben, das ist dürftig.
    Skepsis gegenüber dem Mysterium. Mißtrauen gegenüber dem Noumenon. Eine Stadt ohne Ideale und Leidenschaften. Zu der Zeit, als Nepotismus eine Tugend war, verjagte Pius V., ein Papst aus Alessandria, seine Verwandten aus Rom und sagte ihnen, sie sollten sehen, wo sie blieben; jahrhundertelang von einer reichen jüdischen Gemeinde bewohnt, fand Alessandria auch nicht die moralische Kraft, antisemitisch zu werden, und vergaß den Befehlen der Inquisition zu gehorchen. Die
    Alessandriner haben sich niemals für irgendeine Heroische Tugend begeistert, auch nicht, als eine von ihnen dazu aufrief, die Andersartigen auszurotten. Alessandria hat nie das
    Bedürfnis verspürt, eine Heilslehre mit Gewalt durchzusetzen; es hat uns keine sprachlichen Modelle gegeben, die wir den Rundfunksprechern vorhalten können, es hat keine Wunder der Kunst geschaffen, für die wir Subventionen aufbringen müssen, es hat den Leuten nie etwas beizubringen gehabt, es hat nichts, worauf seine Kinder stolz sein können, auf die es nie einen besonderen Stolz entwickelt hat.
    Wenn ihr wüßtet, wie stolz man sich als Kind einer Stadt fühlen kann, die keine Rhetorik und keine Mythen hat, keine Missionen und keine Wahrheiten zu verkünden.
    Den Nebel verstehen
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    Alessandria besteht aus großen leeren und verschlafenen Räumen. Aber plötzlich, an manchen Herbst- oder
    Winterabenden, wenn die Stadt in Nebel getaucht ist,
    verschwinden die Leerräume, und aus dem milchigen Grau, im Licht der Laternen, tauchen Ecken, Kanten, jähe Fassaden und dunkle Torbögen auf, in einem neuen Spiel kaum angedeuteter Formen, und Alessandria wird »schön«. Eine Stadt, dazu
    geschaffen, im Dämmerlicht gesehen zu werden, wenn man an den
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