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Wie man mit einem Lachs verreist

Wie man mit einem Lachs verreist

Titel: Wie man mit einem Lachs verreist
Autoren: Umberto Eco
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Zeugnisse über das Ende (nicht einmal in der
    Religionsgeschichte ist jemals ein Wesen aufgetaucht, das von sich gesagt hätte »Ich bin nicht« oder »Ic h bin der, der nicht mehr ist«). Man kann zwar annehmen, es habe ein Wesen
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    gegeben, das unmittelbar die Abwesenheit jeglichen Inputs erfahren habe; von einem Wesen aber, das fähig wäre, die Abwesenheit jeglichen Outputs zu erfahren, hat man noch nie gehört (gäbe es ein solches Wesen, so wäre es die Wom;
    freilich könnte es definitionsgemäß keine Definition seiner selbst liefern; denn das Formulieren dieser Definition wäre sein Output, durch den es sich als Wom selber vernichten würde).
    7. Das Projekt eines Denkens, das sich die Wom zum
    Gegenstand wählt, ist also ein Beispiel für eine Neubegründung des Denkens, die jetzt ihren Anfang nimmt; und da man die Wom nicht unmittelbar denken kann, kann man nur von
    unvollkommenen Beispielen für Womheit ausgehen. Das ist das Ende der Kakopädie als letzter Vervollkommnung der
    Pataphysik, die sich aus einer Wissenschaft von den
    imaginären Lösungen zu einer Wissenschaft von den nicht imaginierbaren Lösungen wandeln muß.

    Das Denken des Brachamutanda*
    Swami Brachamutanda (Bora-Bora 1818 - Baden-Baden 1919) ist der Begründer der tautologischen Schule, deren
    Grundprinzipien in dem Werk >Ich sage was ich sage< dargelegt werden: Das Sein ist das Sein, Das Leben ist das Leben, Die Liebe ist die Liebe, Was gefällt, gefällt, Wer es macht, der macht es, Das Nichts nichtet. Mit abweichlerischen Schülern war der Meister notorisch unbeugsam und streng (manche sagen: dogmatisch). Brachamutanda verfocht eine rigid substantialistische Version seines Denkens, der zufolge die Formulierung »Die Frau ist die Frau« eine absolut
    unumstößliche Wahrheit darstellt, während die von manchen vertretene Formulierung »Die Frau ist Frau« eine gefährliche akzidentialistische Degeneration (mit Anklängen eines
    skeptischen Relativismus) bedeutet. Es gab da tatsächlich den Fall des treuen Schülers Guru Guru, der, nachdem er die Sätze
    »Die Geschäfte sind Geschäfte« und »Das Geld ist Geld«
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    verfochten hatte, mit der Gemeinschaftskasse durchgebrannt war.
    Brachamutanda hatte den Schicksalsschlag mit stoischer Ruhe hingenommen. Er versammelte die Schüler um den leeren
    Tisch und stellte fest: »Wer nicht ausbuchst, ist noch da.« Doch hatte dieser Vorfall den Anfang seines Niedergangs signalisiert, denn er hatte sich, so wollen es einige Doxographen, bei der Nachricht, daß der Untreue von der Grenzpolizei
    festgenommen worden sei, ein »Wer es macht, der wird schon sehen« entschlüpfen lassen, das doch ganz offenbar den
    Grundprinzipien seiner Logik widersprach.
    Dieser (in der Literatur als die Wende oder die
    Brachamutandakehre bezeichnete) Vorfall mußte zwangsläufig, vermittels dialektischer Umkehrung, zum Entstehen der
    heterologischen Schule führen, die von dem 1881 in Bergthal geborenen Professor Janein Schwarzenweiß begründet wurde, der die beiden heterologischen Summen „Je est un autre“ und
    „Die vergangene Zukunft“ schrieb. Schwarzenweiß behauptete, wie die Leser schon erraten haben werden, das Sein sei das Nichts, das Werden bleibe stehen, der Geist sei Stoff und der Stoff Geist, das Bewußtsein sei unbewußt und die Bewegung unbeweglich - bis hin zum sogenannten Obersten Prinzip: »Die Philosophie endet mit den Vorsokratikern.« Natürlich gab es in dieser Schule auch ökonomistische Abweichungen (»Wer mehr ausgibt, gibt weniger aus«) und - nicht zu vergessen -eine heteropragmatische Tochter-Schule (»Scheiden ist ein bißchen wie sterben, Wer schweigt, stimmt zu, Das Bessere ist der Feind des Guten«: in der, wie Schwarzenweiß bemerkte,
    Brachamutandas dräuender Schatten unübersehbar ist).
    Die heterologische Schule beschuldigte die Tautologisten, nur künstlerisch unbedeutende Werke wie „Tora Tora“, „New York New York“, „No no Nanette“ und „Que sera sera“ inspiriert zu haben. Die Heterologisten rühmten sich ihres angeblichen Einflusses auf Meisterwerke wie „Krieg und Friedens“ „Schwarz und Rot“, „Haben und Nichthaben“, „Rich man poor man“.
    Worauf Brachamutandas Schüler entgegneten, daß diese
    Werke nicht heterologisch seien, weil sie nicht auf dem
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    Gegensatz, sondern auf dem logischen Zusammenhang
    beruhten, und sie stellten fest, daß die Heterologisten auf diese Weise auch Rechte auf den Whisky Black and
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