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Wie man die richtige Arbeit für sich findet

Wie man die richtige Arbeit für sich findet

Titel: Wie man die richtige Arbeit für sich findet
Autoren: Roman Krznaric
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Laden. Eines Tages erzählte ihm ein Freund, er mache gerade ein Praktikum in der Leichenhalle seines Wohnorts. Als ehemaliges Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr war Trevor den Anblick von Toten gewöhnt, und so fragte er seinen Freund über dessen – wie es sich für ihn anhörte – faszinierende Arbeit aus:
    Ich wollte einen Job, der einen Sinn hat, der mich fordert und der interessant ist. Und als dann bei mir am Ort ein Inserat erschien, in dem ein Bestattungsunternehmen einen Mitarbeiter suchte, habe ich mich um die Stelle beworben und sie auch bekommen. Drei Jahre später habe ich noch einen Kurs besucht, in dem man das Einbalsamieren lernt. Heute bin ich voll qualifiziert. Während meiner Ausbildung ist mir klar geworden, wie unglaublich der menschliche Körper ist.
    Was bedeutet mir meine Arbeit? Ich begleite Tote auf ihrer letzten Reise; ich kümmere mich um sie, als wären es meine eigenen Angehörigen. Ich besitze eine Mappe voller Dankesschreiben von Hinterbliebenen, und das sagt bestimmt viel darüber aus, warum ich Verstorbene versorge.
    In einem Brief steht: »Seine Frau sagte nur immer wieder, wie friedlich und wunderschön er aussah, und wollte sich bei Ihnen bedanken.« In einem anderen: »Die Familie war total begeistert davon, wie alles hergerichtet war, und schwärmte immer wieder, wie gut sie aussah, also vielen Dank für Ihre Arbeit.« In einem dritten Brief steht: »Die Freunde von XY fanden, sie hätte ›ganz phantastisch‹ ausgesehen. Sie haben gute Arbeit geleistet, mein Freund!«
    Für die Befriedigung, die Trevor unzweifelhaft findet, ist der Status seiner Arbeit irrelevant: Tote für die Aufbahrung und Beisetzung vorzubereiten ist kein prestigeträchtiger Beruf. Das weiß Trevor selbst nur zu genau: »Wir im Westen fürchten uns vor dem Tod, und neun von zehn Leuten zucken erst mal zusammen, wenn ich ihnen erzähle, dass ich Tote wasche und herrichte.« Das Erstrebenswerte an seiner Tätigkeit ist für ihn der Respekt, den man ihm entgegenbringt.
    Mit Respekt meine ich nicht, dass andere einem mit Unterwürfigkeit begegnen wie einem Mafiaboss. Unter Respekt verstehe ich die Wertschätzung von dem, was jemand in seine Tätigkeit einbringt, die Anerkennung des Beitrags, den er persönlich leistet. Bei Trevor sind es die Angehörigen der Verstorbenen, die ihm diesen Respekt zollen und die seine Fähigkeiten als Bestatter schätzen. Wir alle können den Respekt unserer Arbeitskollegen erlangen, die unsere Kreativität oder unser Organisationstalent anerkennen.
    Wir wünschen uns wohl alle ein gewisses soziales Prestige. Das Gefühl, dass andere uns für das schätzen, was wir tun und wie wir es tun, ist eines der wesentlichen Motive für die Suche nach Sinnerfüllung im Beruf. Dem Arbeitssoziologen Richard Sennett zufolge ermöglicht erst der Respekt, der jemandem entgegengebracht wird, dieser Person, sich als vollwertiger Mensch zu fühlen, auf dessen Anwesenheit es ankommt. Kein Wunder, dass »Respekt« in Untersuchungen zur Zufriedenheit am Arbeitsplatz einen Spitzenplatz einnimmt. Die Lektion, die man daraus lernen kann, lautet, dass wir einen Beruf wählen sollten, bei dem Aussicht auf die Würdigung der eigenen Arbeit besteht. Das kann bedeuten, große bürokratische Institutionen zu meiden, in denen der Beitrag des Einzelnen kaum wahrgenommen wird, und sich nach einem Arbeitsplatz umzuschauen, an dem die Angestellten als unverwechselbare Individuen und als Teil einer Gemeinschaft von Gleichen behandelt werden. Wer weiß? Womöglich finden Sie sich ja als Mitarbeiter in einem Bestattungsunternehmen wieder.
    Ich möchte etwas bewegen
    »Ich möchte etwas bewegen« ist ein Satz, den man von frischgebackenen Absolventen bei ihren Streifzügen durch die Berufsberatungsbüros der Universitäten genauso hören kann wie von akademischen Fachkräften in den Dreißigern, die es frustriert, dass sie den Großteil ihres Tages mit öder E-Mail-Korrespondenz oder mit der Vermarktung von Produkten beschäftigt sind, die ihnen kaum etwas bedeuten. Sie alle wollen mehr: einen positiven Beitrag für ihre Mitmenschen und für den Planeten leisten und ihre Werte in die Praxis umsetzen. Dieses Anliegen teilen immer mehr Menschen, allem um sich greifenden Hyper-Individualismus zum Trotz; es ähnelt dem Streben der antiken Griechen, die durch tugendhaftes und nobles Handeln ihrem Leben Sinn verleihen, »durch unsterbliche Taten … unvergängliche Spuren in der Welt zurücklassen« wollten. 33 Wir alle
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