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Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Titel: Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
Autoren: Jonas T. Bengtsson
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umgetauschten Geld in der Tasche herumgelaufen und konnte es nicht ausgeben.
    Allmählich höre ich auf, »der Junge« zu sein. Der Junge, den Mona mitgebracht hat. Ihre Freunde betrachten mich noch immer als sonderbar, aber inzwischen bin ich eher eine Kuriosität als ein Halbwüchsiger auf Schulausflug. Viele haben von meiner Ausstellung gehört und versprechen, in den nächsten Tagen vorbeizukommen. Mona lehnt sich an mich. »Wenn sie erst deine Bilder gesehen haben, werden sie sagen: ›Wir haben mit ihm Neujahr gefeiert!‹« Sie leert ihr Glas. »Wir wollen noch mehr Hellrote.«
    Wir trinken, bis der DJ nur noch langsame Lieder spielt und die Paare auf der Tanzfläche nicht mehr die Füße bewegen. Manche liegen auf den Sitzbänken.
    Die Sonne geht auf, als wir aus der Bar kommen.
    »Mein Sofa ist mindestens so gut wie Ulrichs«, sagt Mona. Wir stützen einander, sie wohnt ganz in der Nähe.
    Wir betreten ihre Wohnung, und plötzlich spüre ich, wie müde ich bin, nicht nur von heute Nacht und der letzten Woche. Ich suche das Sofa, sehe aber nur ein paar Sitzkissen um einen kleinen, lackierten Tisch.
    »Ich habe gelogen«, sagt Mona. »Ich habe kein Sofa.«
    Sie zieht das Kleid über den Kopf. Ihr Mund schmeckt nach Champagner, hellroten Cocktails und Zigaretten.
    Ihr Körper ist warm, weder Knie noch Ellbogen kommen in die Quere. Jetzt weiß ich, dass ich mich geirrt habe. Die Muttermale in ihrem Gesicht setzen sich über ihre Brust fort. Sie sind keine Karte von Mikronesien, sondern ein Sternenatlas. Ich erkenne den Großen und den Kleinen Bären.
    Eingewickelt in Decken und Laken, schlafen wir ein.
    Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe, bis die Träume kommen.
    Ich bin zu ermattet, um mich selbst aus dem Schlaf zu reißen.
    In meinem Traum stehe ich am Ufer und betrachte die zwei Gestalten im See. Ein Junge und ein Mann. Der Junge beugt sich über den Mann, hält ihn unter Wasser. Ich sehe die Krämpfe, die den Mann schütteln. Den Körper, der kämpft, um wieder hochzukommen, um zu atmen. Dann das Akzeptieren. Selbst vom Ufer aus sehe ich die Augen meines Vaters. Der Mann schaut zu dem Jungen auf. Durch das grüne Wasser hindurch sehe ich die Ruhe in seinem Gesicht und das sanfte Lächeln.
    Dann lässt der Junge den Mann los. Die Gestalt bleibt unter der Wasseroberfläche, schwebt weg, auf die Mitte des Sees zu. Der Junge watet zurück ans Ufer, grüne Wasserpflanzen hängen an seinen Kleidern, wollen ihn nicht loslassen, bis er sie abreißt. Der Junge findet eine Tasche, die am Waldrand unter Zweigen versteckt ist. Seine Bewegungen sind steif und mechanisch. Er zieht sich aus, seine Haut leuchtet im Dunkeln. Dann holt er trockene Kleidung aus der Tasche und zieht sie an. Die nassen Sachen steckt er in Plastiktüten, nimmt die Tasche und geht. Ich sehe seine Augen, sie sind längst nicht so ruhig wie die des Mannes.
    Ich erwache mit dem Geschmack von eiskaltem Wasser im Mund. Ich drücke den Kopf ins Kissen, schreie auf. Meine Tränen durchnässen den Stoff.
    Dann spüre ich Monas Arme. Sie hält mich fest, ihr Mund ist dicht an meinem Ohr. »Alles wird gut«, flüstert sie. »Alles ist in Ordnung.« Ich schluchze, und sie drückt mich fest an sich, schlägt die Arme um meinen Nacken und die Beine um meinen Rücken. Ich bleibe eine Weile still liegen. Als ich wieder reden kann, sage ich, dass ich ihr bald eine sehr lange Geschichte erzählen möchte. Ein Märchen. Sie streicht mir über die Haare. Morgen holen wir meine Sachen bei Ulrich.
    Als der Schlaf wiederkommt, ist er dunkel, aber nicht schwarz.

2000

I ch sitze in einem Café in der Nähe von Monas Wohnung.
    Auf den Straßen liegen abgebrannte Feuerwerkskörper, noch immer hängt ein Hauch von Schwefel in der Luft.
    Das Telefon hat mich geweckt. Mona brummte und zog das Kissen fest über den Kopf, aber es hörte nicht auf zu klingeln, und ich nahm den Hörer ab.
    Am anderen Ende lachte Ulrich, er hatte geahnt, wo er mich finden würde.
    Er fragte, ob ich die Kritiken gelesen habe. Wenn nicht, wolle er nichts sagen. Ich solle runtergehen und Zeitungen kaufen, und zwar jetzt.
    Auf dem Stuhl neben mir liegt eine Tüte mit Kuchen und Croissants, die ich Mona bringen will. Ich habe eine Tüte frisch gemahlenen Kaffee gekauft und hoffe, sie hat eine Kaffeemaschine.
    Die Zeitungen liegen vor mir auf dem Tisch.
    Ich habe sie noch nicht aufgeschlagen, nicht einmal durchgeblättert. Ich sitze einfach da und trinke Kaffee.
    Draußen liegt die Stadt,
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