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Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Titel: Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
Autoren: Jonas T. Bengtsson
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den leeren Laden. An den Wänden hängen Plakate mit Bildern von Schlachtvieh und Filetieranleitungen.
    Wir gehen an der leeren Theke und dem Fleischwolf vorbei zu zwei stählernen Schwingtüren, durch deren Bullaugen gelbliches Licht schimmert.
    »Bereit?«
    Ich nicke, er stößt die Türen auf.
    Ich habe ein Hinterzimmer erwartet, aber der Raum, in den wir eintreten, ist groß, wie die Vorhalle eines Schlachthofs.
    Die Wände sind weiß gestrichen, aber unter der frischen Acrylfarbe nehme ich einen anderen, schwereren Geruch wahr.
    »Den Boden habe ich original belassen«, sagt Ulrich. »Ich mag die Ablaufrinnen.«
    Aus den Wänden ragen Fleischhaken, blank poliert, an der Decke hängen Flaschenzüge.
    Der nächste Raum ist noch größer.
    »Hier haben sie das Fleisch filetiert.«
    In der Mitte des Raumes steht ein langer, in den Boden eingelassener Stahltisch mit Ablaufrinnen an beiden Seiten.
    »Der macht sich gut fürs Büfett«, sagt Ulrich. Plötzlich hören wir eine Frauenstimme, leise, als würde sie mit sich selbst reden. Wir schleichen zur nächsten Tür.
    Meine Bilder stehen an der Wand, manche sind schon aufgehängt. Vor einem davon steht eine junge Frau mit kastanienbraunem Haar und spricht in ein Mikrofon.
    Ulrich flüstert: »Mona ist Kulturjournalistin beim Radio. Außerdem ist sie meine Großcousine.« Sie schaut zu uns hinüber und lächelt scheu, als hätten wir sie in einem privaten Augenblick ertappt. Sie schaltet das Tonband aus und gibt mir die Hand.
    »Ich freue mich, dass ich deine Bilder sehen darf, wirklich.«
    Sie hat braune Augen und kleine Muttermale im Gesicht.
    Auf dem Rückweg zeigt mir Ulrich die Leisten an der Decke, von denen die Bilder an dünnen Metalldrähten hängen sollen. Die Neonröhren hat er gegen kleine Spots ausgetauscht, die sich einzeln an- und ausschalten lassen. Das Licht war fast am teuersten, verrät er.
    »Du hast mir versprochen, dass ich ihn ausleihen darf«, sagt Mona, als wir wieder vorne im Laden stehen.
    »Ich muss sowieso ein Geschenk kaufen.«
    »Für Elisa?«
    Er nickt, sieht ihr nicht in die Augen.
    »Ein bisschen spät, oder?«
    Er wickelt sich ein Tuch um den Hals.
    »Wo kann ich euch treffen?«, fragt er.
    »Wir gehen ins Leos.«
    »Snob«, sagt er.
    Auf dem Gehweg ist nur ein schmaler Streifen geräumt, wir müssen dicht nebeneinandergehen.
    »Hat Ulrich schon erwähnt, dass Bowie in Neukölln gewohnt hat?«, fragt Mona.
    »Ja.«
    »Und dass Kreuzberg out ist?«
    »Nicht direkt.«
    »Das kommt noch, warts ab.«
    Wenn sie lächelt, sieht es aus, als würden sich ihre Muttermale verschieben.
    Wir warten an der Bushaltestelle. Eine Frau mit Kopftuch schimpft auf Türkisch mit ihrem kleinen Jungen, dessen Ball auf die Straße rollt.
    »Hier gibt es Stadtteile, in denen man weniger als die Hälfte der Leute versteht.« Sie hält ein, hat Angst, dass sie etwas Falsches gesagt hat. »Du kannst doch Türkisch, oder?«
    »Nur ›Guten Tag‹ und ›Auf Wiedersehen‹.«
    Wir fahren vier Stationen mit dem Bus, und als wir aussteigen, sagt Mona, dass wir nun in Kreuzberg seien. Hier sind mehr junge Menschen auf der Straße, es gibt mehr Graffiti an den Wänden, aber im Grunde sehe ich kaum einen Unterschied zwischen den beiden Stadtteilen.
    Die Bar liegt im Keller, ich muss mich bücken, um den Kopf nicht am Eingang zu stoßen.
    Die Wände und Tische sind bordeauxrot. Der Kellner trägt ein Piercing zwischen den Augenbrauen und ein zweites an der Unterlippe. Er lächelt, als würde er Mona kennen.
    »Wir sitzen unten in der Ecke«, sagt sie und zeigt auf ihre Tonausrüstung.
    Ich folge ihr in eine Nische, wir setzen uns auf ein rundes Sofa mit kleinen Kissen. Sie stellt das Aufnahmegerät auf den Tisch und schaltet es ein.
    »Ich lasse es einfach laufen, ich hoffe, das stört dich nicht.« Sie drückt auf einen Knopf am Mikrofon.
    »Ich schneide meine Fragen raus, du darfst gern mit ganzen Sätzen antworten.«
    Der Kellner bringt zwei große Bier.
    »Vielleicht irre ich mich, aber es sieht aus, als ob deine Bilder zusammenhingen. Als würden sie eine Geschichte erzählen. Kannst du mir sagen, wovon sie handelt?«
    Ich sehe sie an, ihre Muttermale. Klein und über das ganze Gesicht verteilt, wie Inseln auf einer Karte. Wie Mikronesien.
    Sie dreht am Aufnahmegerät, mein Blick hat sie selbstbewusst gemacht.
    »Kannst du mir kurz erzählen, wer Mehmet Faruk ist?«
    Am Mikrofon leuchtet ein kleines rotes Lämpchen.
    »Vielleicht kannst du etwas von deiner Kindheit
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