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Wie im Film

Wie im Film

Titel: Wie im Film
Autoren: Hanna Julian
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anderen im Licht der Deckenlampe glänzte. Bei einem Spot für ein Haarshampoo hätte er vermutlich gute Voraussetzungen gehabt, und auch sein Gesicht war auffallend hübsch, aber er wirkte wirklich nicht wie jemand, der aus sich herausgehen konnte. Und ganz bestimmt nicht genug für einen Pornofilm. Bedauerlich für ihn, denn er hatte eindeutig das Aussehen eines Filmstars, und Daniel konnte sich durchaus vorstellen, dass der Griff zu einer DVD mit diesem Kerl auf dem Cover alles andere als abwegig war. Aber das Cover allein reichte eben nicht. Für diesen Job war mehr nötig. Zwar war Daniel durchaus bewusst, dass sein Gesicht nur wenig Ebenmäßigkeit aufwies und er eher der herbe Typ war, statt der bildschöne, doch sein Körper war durchaus nicht untrainiert und bei diesem Job brauchte er sich ganz gewiss auch aus anderen Gründen nicht zu verstecken. Er strich sich durch das dunkle Haar, dann verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück, bis die Lehne seines Kunststoffstuhls leise knackte.
    „Bist du für das Gay Casting hier?“, fragte er und war gespannt, ob er noch mal einen Blick in diese wirklich sehr blauen Augen würde werfen können.
    Tatsächlich hob der andere den Kopf, und Daniel bemerkte, dass er in diesen wenigen Minuten einiges seiner Gesichtsfarbe eingebüßt hatte.
    „Ja, ich ... ich dachte vielleicht wäre es ...“, er brach ab und zuckte mit den Schultern.
    „Eine gute Idee, es zu probieren?“, ergänzte Daniel.
    Sein Gesprächspartner nickte und sah zur Ausgangstür.
    „Hey, bleib einfach locker, du hast dir die Sache doch vorher überlegt, oder?“, fragte Daniel mitfühlend, als er die Nervosität des anderen Mannes spürte.
    „Ja, klar. Ein bisschen vor der Kamera vögeln. Keine große Sache“, sagte dieser und Daniel wusste sofort, dass die Worte nicht ihm gegolten hatten, sondern dass sein Gegenüber sich damit selbst beruhigen wollte.
    Ein bisschen vögeln ... vor der Kamera ... keine große Sache. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann war es genau das, was er sich seit seiner Ankunft hier auch ständig wie ein Mantra im Geiste vorsprach.
    Daniel legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. Zuhause hatte sich das irgendwie leichter angefühlt, dieser Gedanke, an einem Filmset mit jemandem zu vögeln.
    Jetzt allerdings, als er hier so saß und die toten Fliegen sehen konnte, die sich zu kleinen Haufen in den Ecken der quadratischen Deckenlampe türmten, war Daniel so rein gar nicht nach Sex; und schon gar nicht vor laufender Kamera. Er senkte den Kopf wieder.
    „Hast du dich irgendwie hierauf vorbereitet?“, fragte er.
    „Was?“ Der Kerl schien mit seinen Gedanken meilenweit weg gewesen zu sein.
    „Na ja, ich meine ... hast du schon mal so Amateurdinger gedreht?“
    „Nein ... nein. Hab ich nicht“, gab der andere knapp Auskunft, und seine Stimme klang schwach.
    „Wie heißt du?“, fragte Daniel nun behutsam.
    „Eric. Mit C hinten.“
    „Okay, Eric mit C hinten. Geht es dir nicht gut?“
    Bevor er Antwort erhielt, öffnete sich plötzlich die Tür zum Büro und ein Mann im Anzug blickte in den Raum.
    Eric sprang auf und Daniel wollte gerade Protest erheben, dass er zuerst an der Reihe wäre, als er erkannte, dass der Kerl keineswegs zum Büro stürmte, sondern stattdessen zur Ausgangstür, diese aufstieß und nach draußen flüchtete.
    Der Mann im Anzug blieb ungerührt.
    „Daniel Becker?“
    Daniel nickte träge, doch er konnte seinen Blick einfach nicht von der Tür abwenden, durch die sein nervöser Gesprächspartner gerade verschwunden war.
    „Na, dann kommen Sie mal rein, ich habe schließlich nicht den ganzen Tag Zeit“, sagte der Castingdirektor gelangweilt. Und etwas lebhafter fuhr er fort: „Wir suchen noch einen Darsteller, der es sich von einer Gang Biker besorgen lässt. Ich seh dich mal an, und wenn's von meiner Seite aus passt, dann nimmst du den Job oder du bist wieder durch die Tür, kapiert? Glaub nicht, du könntest hier beim ersten Dreh den großen Star mimen.“
    Daniel bekam nur am Rande mit, dass er seinen Hintern für ein paar rohe Kerle hinhalten sollte. Seine Gedanken waren immer noch bei Eric; bei dessen blauen Augen und der Nervosität, die sich darin gespiegelt hatte.
    „Die Gage ist gut. Da gibt's nix zu meckern. Macht den wunden Hintern wieder wett“, lachte der Castingdirektor.
    Das hörte sich immerhin so an, als würde er sich nächsten Monat neben der Miete noch etwas anderes leisten können.
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