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Wie ich Schriftsteller wurde

Wie ich Schriftsteller wurde

Titel: Wie ich Schriftsteller wurde
Autoren: Norbert Golluch
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im
Augenblick Sexus, der Gott der Lüste, in Gestalt des überirdisch perfekten
Hinterns der Frau des Platzwarts zwischen mir und meiner literarischen
Karriere. Ich bin in meinen intellektuellen Möglichkeiten extrem eingeschränkt,
weil er sich wie der Mond vor die Sonnenscheibe schiebt und eine absolute
Finsternis hervorruft, verstandesmäßig. Dabei hatte sie irgendetwas in ihrem
Blick, das mich beunruhigte. Ihre aufopferungsvolle Art, bezogen auf ihre
Familie, passt so gar nicht zu meinen Vorstellungen eines gemeinsamen
Zusammenlebens voller wilder Erotik. Ich gerate in einen ziemlich kranken
Familientraum, erinnere mich plötzlich an einen Bekannten, der stolz auf einen
Spinatfleck auf seiner Hose war, den seine kleine Tochter ihm dorthin
praktiziert hatte. Im Geiste spiele ich die ganze kausale Kette vom rauschhaften
Liebesakt über endlose Stunden bei der Unterwassergeburt im Kreißsaal bis zum
Spinatfleck durch, denke dann über die weitere Ereignisse in der Familie nach, über
die Kleinen und ihre niedlichen Unarten, das unheimlich kuschelige Schmusen auf
dem Sofa vor dem Fernseher, wenn der Nachwuchs endlich die Klappe hält, sehe
mich flüsternd vom Kinderzimmer ins Schlafzimmer wechseln, wo ich erschöpft
einschlafe statt erotische Spitzenleistungen zu bringen, sehe mich mit meinem
eigenen Spinatfleck, fett und grün, und sehe mich verzweifelt reiben und
wischen, wischen und reiben, um ihn wieder aus der Hose zu bekommen.
Interessanter Stoff für meinen Therapeuten.
     
    Ob die Frau vom Platzwart Kinder hat? Kinder, Familie … Bin
ich pervers?
     
    So wird das nie was mit dem Roman. Augenblickliche zerebrale
Datenlöschung tut Not, Zug durch die Gemeinde?
     

Schlüsselroman oder Familiensaga?
    Beim Abendessen bleibt mein Blick lange auf der
Folien-Salami und der Dose Cola Light in meiner Hand hängen. Was für ein Fraß!
Kein Wunder, dass sich die meisten großen Schriftsteller flüssig ernährt haben.
Ich denke an Nudeln mit Gulasch und Gurkensalat statt an dramatische Wendungen.
Jetzt wirst du animalisch, animalisch und konventionell. Sex und Fressen, kann
da noch Kunst keimen?
     
    Und was für ein Frauenbild hast du eigentlich, Alter? Das
Weib in der Küche am Herd? Hure, Madonna, Mutter? Ich beschließe, mein
Bedürfnis nach Mütterlichkeit bei Kentucky Fried Chicken auszuleben. Schon immer
hat mich das Kartoffelpüree mit der braunen Soße an das Sonntagsessen zu Hause
erinnert. Während ich drei Hähnchenteile vertilge, denke ich an – die Frau des
Platzwarts. Weniger an ihren aidskranken Sohn und ihre
Persönlichkeitsentwicklung in meinem Roman als ... Sie wissen schon.
     
    Schriftsteller können nur nach dem Sex wirklich schreiben.
Im Reproduktionsmodus, also während der Hochphasen der ganzjährigen
menschlichen Brunftzeit, produzieren sie nur gequirlte Kacke. Alle großen Werke
der Weltliteratur entstanden nach etlichen befriedigenden Geschlechtsakten.
Denke ich und bestelle mir zum Nachtisch dieses Eis mit Smarties. Die Frau
hinter der Theke hält sie mir entgegen, ich verharre – hypnotisiert von ihrem
Dekolletee – in sexueller Starre. Erst der türkisch wirkende Geschäftsführer
kann mich ins Leben zurückrufen.
     
    „Krasse Uniform, was? Kann ich Ihnen helfen?“ Wohl kaum.
Oder haben Sie ihre Telefonnummer?
     
    Mein Gott, was ich im Laufe des Lebens alles mit meinen
Frauen angestellt habe! Ein Wunder, dass sie es jeweils so lange mit mir
ausgehalten haben. Ich hatte alles andere im Kopf, nur nicht Liebe, auch wenn
gelegentlich welche daraus geworden ist. Zumindest so etwas Ähnliches. Wie
bereits gesagt: Die Jagd nach dem einen Ding ist zeitraubend und umständlich.
In der Zeit, die man(n) dazu verwendet oder besser gesagt: verschwendet, könnte
man(n) kulturell hoch stehende Leistungen für die Menschheit vollbringen. Denkt
mein Gehirn, während mein Körper unter der Führung meines Schwanzes an meiner
Eckkneipe vorbei hinter einer Brünetten mit unglaublichen Hüften hinterher
dackelt. Nur mein Durst rettet mich letztlich davor, mich komplett lächerlich
zu machen und sie auf der Straße anzuquatschen. Wäre ein Horrorroman über ein
Sexmonster mein Thema?
     
    In der Nacht habe ich wieder einen dieser Flussträume. Ich
sitze auf einem Stuhl mitten in der Sonne in einem breiten, ruhigen Strom,
dessen warmes Wasser meine Füße umspült, und neben mir, auf anderen, kleineren
Stühlen sitzen mehrere Kinder und lachen. Einige springen von ihren Stühlen ins
Wasser, andere
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