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Wie ich Schriftsteller wurde

Wie ich Schriftsteller wurde

Titel: Wie ich Schriftsteller wurde
Autoren: Norbert Golluch
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glaub‘, du bist krank ...“ Er fläzt
sich auf den Resten meines 60er-Jahre-Designersofas und grunzt zufrieden. Meine
Katastrophenmimik und der Zustand der Wohnung gehen ihm offensichtlich komplett
am Arsch vorbei. Eine Kakerlake fällt vom Sofa und knirscht unter Bennos Schuh.
Das hätte auch Charles Bukowski passieren können. Was meine Wohnung angeht, bin
ich literarisch auf dem richtigen Weg. Er betrachtet die Leiche und fragt: „Wo
liegt das Problem, wie heißt sie?“
     
    „Kannst du immer nur an das eine denken?“ Ich denke selber
daran. Die gut dimensionierte Kehrseite der Frau vom Platzwart erscheint vor
meinem inneren Auge, wie sie so zwischen den Wohnwagen vor mir daherschwebte,
dazu kreisen Elfen und Putten um ihr schmerzumwölktes Haupt, denn sie hat
soeben gehört, dass die Wiener Symphonikern sich geweigert haben, mit ihrem
aidskranken Sommerabenden Sohn auf Welttournee zu gehen, weil die Frau des
Ersten Geigers heftig an Zellulitis erkrankt ist und dringend den Zuspruch
ihres Mannes braucht. Ich sehe die Frau des Platzwarts mit einem Weinkrampf
unter den Rädern eines Wohnmobils zusammenbrechen, in Zeitlupe.
     
    „Hey, pass auf, das Bier!“ beschwert sich Benno und grabscht
nach den stürzenden Flaschen. Er köpft die zweite. „Wozu hat man Freunde!“ Er
trinkt. Ohne hinzusehen zappt er den Fernseher an, Sportschau. Kein Wunder,
dass ich mit meinem Roman nicht weiter komme. Während ich literarische Welten
entwerfe, fläzt sich Benno auf dem Sofa herum und Schalke hat verloren. Im
Aquarium stirbt Carlos Peixe, mein letzter Piranha, vielleicht hat er den
Kronkorken gefressen. Ich hatte ihn über viele Jahre, den Piranha, nicht den
Kronkorken, ihn und seine mörderische Familie, die sich gegenseitig verspeiste.
Mord und Totschlag in der Familie ... eine Familiensaga? Irgendetwas über
Generationen? Mit einem solchen Thema schaffe ich leicht 800 Seiten …
     

Flussträume
    Ich würde ja nie zum Therapeuten gehen, aber mein Freund
Holger, der ist Therapeut, auch wenn man es nicht glaubt, wenn man ihn so auf
der Straße sieht. Und Holger sagt, dass Flussträume im Allgemeinen etwas damit
zu tun haben, wie man das Leben sieht, und dass wilde, reißende Flüsse eine
gewisse Angst vor dem Leben symbolisieren, zumindest im Traum. Es kommt auch
darauf an, ob sich das Wasser an einem vorbei schlängelt, ob es still vorüber
fließt oder dich mitreißt. Meine ständigen Flussträume machen mir wirklich
Sorgen, denn es ist schon merkwürdig, wenn man jede Nacht mit nassen Füßen in
irgendeinem Gewässer steht und morgens beim Aufwachen im Bett nach Fröschen
oder Algen suchen will, so realistisch geht das ab im Traum. Sonst geht zur Zeit
nichts ab in meinem Bett. Auch die Zahl der nächtlichen Einfälle hält sich in
Grenzen. Während ich früher beim Einschlafen, von irgendwelchen körpereigenen
Endorphinen umnebelt, die besten kreativen Visionen hatte, ganze Königreiche
der Fantasie erschuf, bringe ich es augenblicklich nicht weiter als bis an den
Rand eines nächtlichen Gewässers. Letzte Nacht traf ich dort auch noch die Frau
des Platzwarts. Immerhin. Sie spülte Campinggeschirr im fließenden Wasser und
würdigte mich keines Blickes.
     
    Wobei man jetzt nicht glauben sollte, sie würde mich
wirklich erotisch interessieren. Mehr so als Figur in meinem Roman, denn eigentlich
interessieren sich Männer im Kern überhaupt nicht für Frauen. Sie könnten die
Zeit, die sie dafür verwenden, Sex von irgendwelchen Frauen zu bekommen, viel
besser brauchen, um sich mit bedeutenderen Dingen zu befassen, die außerdem
noch viel leichter zu bekommen sind. Einfälle für Romane zum Beispiel.
     
    Allerdings hat es die Natur so eingerichtet, dass sich bei
Männern mit der Zeit ein gewisser sexueller Drang einstellt und das Tier in
ihnen erwacht. Sonst wäre die Menschheit mittlerweile nahe daran, auszusterben,
während die Bibliotheken vor lauter Romanen überquellen würden, die sensible,
vom Triebstau befreite Männer verfasst hätten. Der durchschnittliche Mann allerdings
wäre in den letzten Tagen seiner Art mit Fußball, Computern, Autos und ähnlich
bedeutenden Themen beschäftigt. Dass sich ein Mann nicht wirklich für Frauen
und die mit ihnen verbundenen Zusammenhänge interessiert, kann man schon daran
erkennen, dass er immer direkt nach dem Sex einschläft.
     
    Ich gehöre zur sensiblen Fraktion. Ich interessiere mich für
Höheres, schließlich will ich ja meinen Roman schreiben. Nur steht
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