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Wie ich Brad Pitt entführte

Wie ich Brad Pitt entführte

Titel: Wie ich Brad Pitt entführte
Autoren: Michaela Grünig
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    Tom darf sich unserer kleinen Gruppe wieder anschließen. Er ist – als das vermeintliche Opfer – ein freier Mann. Wie die Polizei ihn jedoch ausfindig machen konnte, obwohl er noch rechtzeitig vor dem Überfallkommando eine Biege gemacht hatte, weiß ich nicht.
    Es interessiert mich auch nicht besonders in diesem Moment. Wir sollen nämlich noch vor Ende des Tages dem Haftrichter vorgeführt werden, anscheinend, um ganz offiziell der Entführung angeklagt zu werden. Dabei scheint die Polizei etwas verwirrt. Sie sind wohl irgendwie der Meinung, dass Stefan das Entführungsopfer ist. Aber das wird sich ja bestimmt alles noch aufklären. Warum Linda dabei das gleiche Schicksal treffen soll wie mich, ist mir schleierhaft, denn ich habe gleich mehrfach betont, als Alleintäterin gehandelt zu haben. Aber an dem alten Spruch »Mitgefangen ist mitgehangen« scheint wirklich etwas dran zu sein.
    Bis unser Rechtsanwalt endlich eintrudelt, sitzen wir auf zwei Bänken in einem einsamen, kalten Flur des Präsidiums. Die Jungs auf der einen Seite, wir Mädels – immer noch in Handschellen – auf der anderen. Ein Polizeibeamter bewacht uns.
    Während wir warten, fühle ich immer wieder Max’ Blick auf mir ruhen. Ich weiß nicht, was das noch soll. Warum geht er nicht einfach seiner Wege, jetzt wo wir so gut wie eingebuchtet sind? Hat er etwa doch ein schlechtes Gewissen? Will er ein gutes Wort für uns einlegen? Trotz der eher unglückseligen Umstände bin ich persönlich eigentlich recht gefasst. Vielleicht habe ich einfach genug Zeit gehabt, mich mental auf eine Verhaftung vorzubereiten. Linda hingegen schnieft unentwegt. Sie hat auch tatsächlich viel mehr zu verlieren als ich, denn ich bin mir nicht sicher, ob man eine der Entführung angeklagte Ärztin noch weiterhin beschäftigen würde. Wahrscheinlich eher nicht. Wegen der blöden Handschellen kann ich ihr noch nicht mal meinen Arm um die Schultern legen. Glücklicherweise erbarmt sich Tom und setzt sich neben sie. Er flüstert ihr ein paar tröstende Worte ins Ohr. Dann küsst er sie sanft auf die Wange und streichelt ihre Haare. Im Grunde genommen ist er vielleicht doch ganz okay.
    Der Polizist sieht zwar kurz auf, scheint sich aber über diese Zärtlichkeiten nicht weiter zu wundern. Max auf der anderen Seite fallen fast die Augen aus dem Gesicht, so intensiv stiert er Tom an. Ich kann seinen finster-glühenden Blick nicht richtig deuten.
    Auf einmal springt Max wie von der Tarantel gestochen auf und setzt sich neben mich. Die kleine Bank ächzt leise unter dem Gewicht der inzwischen vier erwachsenen Menschen, die sich auf ihr breitmachen. Nur Stefan harrt noch immer schläfrig neben dem Kriminalbeamten auf der anderen Seite aus.
    »Was hat das zu bedeuten?«, flüstert Max heiser in mein Ohr. Ich versuche, ihn nach Kräften mit Missachtung zu strafen, aber diese Nähe zwischen uns macht es mir einfach unmöglich.
    »Was meinst du?«, flüstere ich so unfreundlich wie möglich zurück.
    »Warum küsst er
sie?
«
    Ich drehe meinen Kopf zur Seite und blicke in sein von Anspannung gezeichnetes Gesicht. »Weil er mehr Anstand hat als du! Deswegen!«, sage ich laut. Der Polizist wirft mir einen kritischen Blick zu.
    Max bleibt mucksmäuschenstill.
    »Weil er nicht bloß Mädels küsst, um sie danach an die Polizei auszuliefern«, flüstere ich noch böse hinterher.
    »Ja, denkst du denn etwa,
ich
hätte das gemacht?« Er packt erregt meinen Arm … und lässt ihn im nächsten Moment, nach einem weiteren kritischen Blick seines Kollegen, wieder los.
    Voller Verachtung sage ich: »Ach, jetzt hör doch endlich auf mit dem Quatsch! Natürlich hast du uns verpfiffen! Deswegen hast du mich doch versetzt! Deswegen hast du nie wieder angerufen!«
    Max japst nach Luft, als würde er ertrinken. Dann flüstert er auf einmal merkwürdig tonlos: »Vicki, ich habe
euch
gesehen.«
    »Wen,
euch
?«, frage ich entgeistert zurück.
    »Dich und … den Schauspieler«, bekomme ich zur Antwort. Ich schaue ihn fragend an. »Ich habe gestern Abend auf dich gewartet und … und dann habe ich euch da oben gesehen … wie ihr euch geküsst habt«, bricht es – immer noch konspirativ flüsternd – aus ihm heraus.
    Ich werfe Max einen Blick zu, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank.
    »Wo hast du uns gesehen?«
    »Ihr standet in der hell erleuchteten Küche direkt am Fenster! Ich konnte euch ganz deutlich erkennen!«
    »Ach ja! Dann musst du ganz dringend mal zum
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