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WIE GUT IST IHRE ALLGEMEINBILDUNG

WIE GUT IST IHRE ALLGEMEINBILDUNG

Titel: WIE GUT IST IHRE ALLGEMEINBILDUNG
Autoren: Martin Doerry/Markus Verbeet (Hg.)
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Richtung: zulasten der Männer. »Mädchen und junge Frauen werden im Bildungssystem immer erfolgreicher«, heißt es etwa im Nationalen Bildungsbericht. Dessen Autoren sehen für das andere Geschlecht schwarz: »Parallel zu dieser Erfolgsgeschichte entwickelt sich eine neue Problemkonstellation: Das Risiko für Jungen und junge Männer, im Bildungssystem zu scheitern, nimmt zu.« Deshalb ist es überraschend, dass im Wissenstest die Frauen so viel schlechter abschneiden. Mathematiker führten darum Kontrollrechnungen durch, nachdem die ersten Ergebnisse des Tests vorlagen. Doch wie man die Zahlen auch dreht und wendet: Die Lücke bleibt. So macht es fast keinen Unterschied, dass die weiblichen Teilnehmer im Durchschnitt etwas jünger sind als die männlichen. Ebenso wenig wirkt sich der unterschiedliche Bildungsstand aus. Vergleicht man relativ gleiche Gruppen, nämlich Studentinnen und Studenten, zeigt sich ein kaum verändertes Ergebnis. Weibliche Studierende beantworteten rund 53 Prozent der Fragen richtig, männliche hingegen rund 62 Prozent. Die Erklärung muss also eine andere sein, und Manfred Prenzel hat auch sofort eine parat. Der Professor hat viele Jahre lang die Pisa-Untersuchungen der OECD in Deutschland geleitet.

    Es sei ja »sehr beeindruckend, dass so viele Menschen teilgenommen haben«, meint Prenzel. Doch ein Online-Test, bei dem jeder mitmachen könne, müsse immer Verzerrungen fürchten. »Das Ergebnis könnte schon dadurch zustande kommen, dass die intelligenten Frauen nicht in gleich hohem Maße teilgenommen haben wie die Männer«, sagt Prenzel. Solch ein Wissenstest spreche zudem vielleicht eher »Männer an, die ihn als echten Wettbewerb verstehen und dementsprechend motiviert mitmachen«.
    Das klingt erst einmal überzeugend. Beim Online-Wissenstest hätten demnach einfach zu viele schlaue, selbstbewusste, hochmotivierte Männer mitgemacht, als dass das Ergebnis aussagekräftig wäre. Doch ganz so einfach ist es wohl nicht. Das zeigt der »Bochumer Wissens- test« der Wissenschaftler Rüdiger Hossiep und Marcus Schulte. Es ist der einzige standardisierte Wissenstest in Deutschland, über viele Jahre entwickelt und seit vie-len Jahren erprobt, und er liefert in all diesen Jahren ein immer gleiches Ergebnis: Frauen schneiden schlechter ab. »Der Unterschied ist groß, deshalb überrascht mich auch das Ergebnis des SPIEGEL-Tests überhaupt nicht«, sagt Hossiep. Mehr als 10.000 Menschen hätten seinen Wissenstest bereits ausgefüllt. Bevor er erstmals Ergebnisse analysiert habe, im Jahr 2001, habe er etwas ganz anderes erwartet. »Mädchen sind die besseren Schüler, deswegen hatte ich gedacht, dass sie auch in unserem Test die besseren Ergebnisse erzielen«, sagt der Psychologe. Doch das Gegenteil sei der Fall. Seitdem sucht der Wissenschaftler nach einer Erklärung. An der Zusammensetzung der Stichprobe – dumme Mädchen, schlaue Jungen – liege es jedenfalls beim Bochumer Wissenstest nicht. »Stichprobenverzerrungen können fast gänzlich ausgeschlossen werden«, heißt es in den wissenschaftlichen Erläuterungen des Tests, »Ausbildungs- beziehungsweise Bildungsdefiziteoder Sozialisationsunterschiede scheiden als mögliche Ursachen definitiv aus.«
    Wenn diese Ursachen beim Bochumer Wissenstest ausscheiden, liegt auch beim SPIEGEL-Test der Gedanke nahe, dass es andere Gründe für das unterschiedliche Abschneiden der Geschlechter gibt. Eine Vermutung, die Wissenschaftler wie der Tübinger Professor Ulrich Trautwein schnell äußern: Es liegt nicht nur an den Teilnehmern, sondern auch an den Fragestellern, also der Redaktion des Magazins. Anders als vermutet waren jedoch Männer wie Frauen beteiligt, als die Fragen erstellt wurden: Fachleute aus der Redaktion, der Dokumentationsabteilung und der Marktforschung des Magazins. Das Redaktionsteam war von den Geschlechtern her paritätisch besetzt. »Der Test zeigt die SPIEGEL-Welt des Wissens«, sagt Trautwein. Viele Aufgaben könnten einfach eher von Männern gelöst werden, etwa Fragen nach Wirtschaftsbossen. Wären mehr Fragen aus Bereichen wie Verbraucherschutz oder Gesundheit gestellt worden, hätten die Frauen besser abgeschnitten, vermutet der Tübinger Professor. Und tatsächlich betrifft eine der beiden Aufgaben aus dem Bereich Wirtschaft, die Studentinnen häufiger richtig gelöst haben als Studenten, das grüne, sechseckige Bio-Siegel, also ein Verbraucherschutzthema. Insgesamt scheinen den Studentinnen die Fragen aus den
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