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Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Titel: Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)
Autoren: Michael Jürgs
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doch hier nicht im Westen.« Seine Sammlung wurde beschlagnahmt und auf dem üblichen Weg ver silbert.Wegen Steuerstraftaten ist Werner Schwarz zu fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden, durfte dann im Zuge der Häftlingsfreikäufe in den Westen übersiedeln. Auch an diesem Deal, bei dem 70 000 Valutamark »Kopfgeld« fällig waren, verdienten die staatlichen Devisenhändler. Lothar de Maizière ging nach dem Umbruch für seinen Mandanten mit der Klage auf Wiedergutmachung durch alle Instanzen, bis er schließlich gewann und die Erben von Schwarz, der die späte Wiedergutmachung nicht mehr erleben durfte, vom DDR-Rechtsnachfolger Bundesrepublik Deutschland entschädigt wurden.
    Wie geht’s, Deutschland?
    Am Ende meiner Reise treffe ich einen in Potsdam lebenden
Patrioten. Günther Jauch würde diese Formulierung misstrauisch beäugen, denn jede Überhöhung dessen, was er als normal bezeichnet, ist ihm suspekt. Sein Landesvater, Ministerpräsident Matthias Platzeck, hat damit keine Schwierigkeiten. Die Verdienste von Günther Jauch vorzustellen, sagte er einmal bei einer Laudatio auf den prominenten Potsdamer, sei etwa so, »als wollte man mit einer Taschenlampe jemanden beleuchten, der im hellsten Rampenlicht steht«. Und vergaß dabei auch nicht, seine geliebte Glienicker Brücke, die in seinem Leben ja eine so große Rolle spielte, in die Rede geschickt mit einzubauen: »Wie schön, dass Sie gleich nach dem Fall der Mauer über die wieder offene Glienicker Brücke aus Berlin zu uns herüberkamen. Potsdam sah im Winter 1989 anders aus als heute. Da brauchte es den fantasievollen Blick eines Prinzen, um sich vorzustellen, was aus diesem grauen Aschenputtel einer Stadt werden konnte.«
    Als die Mauer fiel, saß Jauch mit seiner damaligen Lebensgefährtin und heutigen Frau Thea in München-Schwabing. Am liebsten wäre er mit ihr noch in derselben Nacht losgefahren nach Berlin, um live bei dieser deutschen Geschichte dabei zu sein. Ging aber nicht so einfach, weil ihre erste Tochter erst sechs Monate alt war und längst schlief. Jede Reise musste deswegen sorgfältig und im Voraus geplant werden. »Am anderen Morgen waren wir um vier Uhr in der Früh am damaligen Münchner Flughafen Riem. Aus lauter Sorge, alle Maschinen nach Berlin könnten angesichts der Ereignisse bereits ausgebucht sein, wollten wir drei möglichst die erste nehmen. Es gab aber noch jede Menge Plätze auf allen Maschinen dieses Tages.« Die Bayern – Motto: mir san mir, und wenn die Preiß’n in Berlin die Mauer fallen lassen, is dös ihr’ Sach’ – schauten sich die Geschichte im Fernsehen an. Jauch und seine Lebensgefährtin brachten nach der Landung ihre kleine Tochter zu seinen Eltern, die in Berlin lebten, »und dann zogen wir beide vier Tage und Nächte von West nach Ost und Ost nach West«.
    Aber sie zogen noch nicht gleich nach Potsdam, was ihre Freunde in München eh für irgendeine Stadt in Sibirien hielten.
In den neunziger Jahren ließen sie sich in Berlin-Zehlendorf nieder, wo der junge Günther einst zur Schule gegangen war und als Messdiener in aller Herrgottsfrühe aufstehen musste. Ihre Liebe zu Potsdam, der verschlafenen, verwunschenen, verstaubten Schönen im Osten, entdeckten sie 1995, da roch es einfach spannender als im satten Zehlendorf.
    Sie gehörten zu den ersten neudeutschen Stadtbürgern. Potsdam war im alten System systematisch entbürgerlicht worden. Die SED wollte jede Erinnerung an Preußens Glanz und Gloria gerade in dieser Stadt auslöschen. Wie viele von den 120 000 Einwohnern bis 1990 beim Ministerium für Staatssicherheit ihr Geld verdienten, ist natürlich nicht feststellbar. Manche sprechen davon, dass es mindestens zehn Prozent der Erwachsenen gewesen sind, mehr als in jeder anderen Stadt der DDR.
    Günther Jauch besitzt inzwischen so ungefähr zwanzig Immobilien in Potsdam. Aber er passt so gar nicht ins Bild, das sich die Ureinwohner von einem reichen Wessi gern malen. Dem »Spiegel«-Reporter Alexander Osang, einem aus dem Osten stammenden Profiler, im deutschen Journalismus einer der Besten, gestand der TV-Moderator, dass der Antrieb, sein Geld in heruntergekommenen Häusern anzulegen, nicht die unstillbare Lust auf Steuerersparnisse war, wie es reflexartig die PDS unterstellte, sondern die schlichte Freude an renovierten schönen Häusern: »Ich kann es mir leisten, und es bleibt in der Familie, und die Häuser können meine Enkel später nicht so schnell auf den Kopf
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