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Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Titel: Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)
Autoren: Michael Jürgs
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Betreffenden aushorchen, während nebenan alles aufgezeichnet und meist noch an Ort und Stelle vom Führungsoffizier ausgewertet wurde.«
    Verraten würde er die alten Kameraden aber nie, obgleich er den »miesen Kreaturen, die noch heute an die Weltrevolution glauben, nicht einmal auf der anderen Straßenseite begegnen« möchte. Noch schlimmer als die, schreibt er in seinen unveröffentlichten Erinnerungen, findet er eigentlich nur, »dass Journalisten, die nie in unserem System gelebt haben, die sich nicht in das System hineindenken können, jetzt geil in diesen Schundberichten [gemeint sind die Stasi-Akten] Sensationen suchen«.
    Als ich, der Journalist, ihn nach dem Umbruch zum ersten Mal traf, brachte er mir zum Beweis dafür, dass er einst über beste Verbindungen zur Macht verfügte, ein verwittertes Schild von der Staatsgrenze mit, auf dem gewarnt wurde, keinen Schritt weiterzugehen, weil sonst scharf geschossen werde. Als ich ihn zum zweiten Mal traf, das war acht Jahre später, hatte er unbeschadet einen Ausschuss des Deutschen Bundestages überstanden, der die Geschäfte der KoKo untersuchte, war dickbäuchig angekommen
im Kapitalismus. Er gab mir seine Visitenkarte, auf der sein neues Tätigkeitsfeld umschrieben stand: »Immobilien London, Miami, Havanna, Berlin«.
    Als ich ihm zum letzten Mal begegnete, saß er bereits wieder fröhlich am Tisch der Reichen und Mächtigen beim Deutschen Medienpreis in Baden-Baden. Einen von denen fragte ich diskret, wie denn ausgerechnet IM »Monica« alias Hilpert zu der Ehre einer Einladung gekommen sei.Vages Gemurmel, man kenne sich von früher, und der Mann verstehe schließlich was von Kunst und habe immer noch gute Verbindungen, falls man drüben an einem schönen See was suche oder überhaupt geschäftlich tätig werden wollte.
    Ob ich wollte?
    Nein, wollte ich nicht.
    Von Kunst und ihrem Wert an sich verstand Hilpert zwar nicht viel, wohl aber was von ihrem Preis. Er kaufte im Auftrag von KoKo auf, was sich im Westen zu den von der DDR stets benötigten harten Devisen machen ließ, hauptsächlich Möbel, Gemälde, Antiquitäten. Nachdem die Depots der staatlichen Museen leer waren, sollten ab Anfang der achtziger Jahre die privaten Sammler geplündert werden. Hilpert und Konsorten boten denen im Auftrag der KoKo für ein begehrtes Objekt im Tausch Einkaufsschecks für die Intershops an oder zum Beispiel ein Auto, auf das man normalerweise zehn Jahre warten musste. Inlandpreis eines sowjetischen Lada: 25 000 Mark. Im Gegenzug für das Auto bekam KoKo ein Gemälde, das im Westen aber einen Wert von 25 000 Valutamark hatte, wie die harte D-Mark aus ideologischen Gründen hieß. Sie verdienten also je nach Kurs und Devisenrentabilität zwischen 150 und 300 Prozent. Im Jahre 1988 fiel im Zuge von 46 »Autotauschgeschäften« bei einem Tauschwert von 573 000 Valutamark ein Reingewinn von 982 000 D-Mark an.
    Die andere Methode, sich der begehrten Kunst für Devisengeschäfte zu bemächtigen, war kalte Enteignung nach Art des Hauses DDR. Erst kamen die Kunstfahnder, dann die Steuerfahnder. Die Einkäufer, im Nebenberuf als IM tätig, berichteten
dem Ministerium für Staatssicherheit, wenn sie bei ihren Hausbesuchen wieder mal eine Kunstsammlung im Privatbesitz entdeckt hatten. Das MfS ließ daraufhin andere Staatsdiener von der Kette, angeblich sei beim Verkauf eines bestimmten Gemäldes oder eines Möbelstücks keine Einkommensteuer bezahlt worden. Die betrug 90 Prozent des natürlich entsprechend hoch geschätzten Wertes. Kein Sammler konnte diese Summe Bargeld aufbringen, der Besitz wurde beschlagnahmt, ein Strafverfahren eingeleitet wegen Steuerhinterziehung und das Urteil schnell gesprochen. Während der eigentliche Besitzer in einer Haftanstalt saß, verkaufte der Außenhandelsbetrieb Kunst und Antiquitäten die fette Beute im westlichen Ausland. Die Kunden kamen vor allem aus der Bundesrepublik, aus den Niederlanden, aus Westberlin. Auf einer für die volksenteignete Kunst reservierten Etage des Hotels »Metropol« nahe dem Bahnhof Friedrichstraße hing und stand die Ware zur gefälligen Begutachtung bereit, Gesamtwert der dort lagernden Objekte, laufend ergänzt, nie unter 750 000 D-Mark.
    Insgesamt gab es wohl mehr als einhundert solcher Fälle zwischen 1984 und 1989. Ein Fall ist das Schicksal des Sammlers Werner Schwarz aus Rathenow. Der wurde mit Handschellen gefesselt zum Verhör abgeholt. Als er einen Anwalt verlangte, bekam er zur Antwort: »Wir sind
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