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Wie ein stummer Schrei

Wie ein stummer Schrei

Titel: Wie ein stummer Schrei
Autoren: Dinah McCall
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damit befassen. Sie haben den Koffer gefunden?”
    Marshall nickte langsam und schob die Hände in die Hosentaschen. “Ja, und es war entsetzlich, einfach schrecklich. Pansy und ich werden das niemals vergessen.” Gequält sah er sich um. “Das hier sollte unser Traumhaus werden, aber jetzt ist daraus ein Albtraum geworden.” Tränen liefen ihm über die Wangen, als er weiterredete: “Dieses arme kleine Mädchen.”
    Trey musste tief durchatmen, da der Mann ihm die Arbeit keineswegs erleichterte. “Da Sie ja nun noch hier sind”, zwang er sich zu sagen, “könnten Sie mir vielleicht mit Ihren eigenen Worten schildern, wie sich das Ganze abgespielt hat.”
    “Ich schätze, es wird mich nicht umbringen, wenn ich es noch ein weiteres Mal erzähle.” Er stutzte, dann verdrehte er die Augen und fügte an: “Ich wollte nicht …”
    “Schon gut, Mr. Baldwin. Ich möchte es nur lieber von Ihnen hören, anstatt mich ausschließlich auf den Polizeibericht zu verlassen.”
    Während er Trey ins Haus führte, schilderte er ihm, wie sie bei der Renovierung auf den Koffer gestoßen waren. “Pansy dachte, wir hätten einen Schatz gefunden.”
    “Das muss hart für Sie gewesen sein”, sagte Trey.
    “Hart ist gar kein Ausdruck dafür”, gab der Mann zurück. “Pansy bricht noch immer ständig in Tränen aus. Wir haben selbst fünf Enkel, müssen Sie wissen. Ich kann mir nicht erklären, wie jemand einem kleinen Kind so etwas Schreckliches antun kann.”
    “In meinem Beruf bekomme ich zwar ständig schreckliche Dinge zu sehen”, pflichtete Trey ihm bei. “Aber wenn es Kinder betrifft, dann geht einem das immer an die Nieren.”
    Der alte Mann nickte. “Kann ich gut verstehen.” Er deutete auf ein großes Loch in der Wand. “Da haben wir den Koffer gefunden. Wenn’s Ihnen nichts ausmacht, möchte ich jetzt lieber die Reste einladen. Ich habe keine Lust, noch einmal herkommen zu müssen.”
    “Sicher, Sir, und vielen Dank.” Er gab Marshall Baldwin die Hand, der sich sofort zurückzog, während Trey das Loch musterte. Er versuchte, sich in denjenigen hineinzuversetzen, der so etwas gemacht hatte. War das Kind gestorben, und jemand hatte es in Panik in den Koffer gesteckt und dann eingemauert? Oder sollte ein Mord vertuscht werden?
    Er beugte sich vor und betrachtete den beim Einreißen der Mauer heruntergekommenen Schutt, dann sah er nach oben, wo der Koffer versteckt gewesen war. Schließlich ging er ein paar Schritte nach hinten und ließ die völlige Stille auf sich wirken. Durch das geöffnete Fenster fiel ein Sonnenstrahl, in dem Staubpartikel tanzten. Auch wenn Trey der Typ Mensch war, der Arbeit sachlich anging, konnte er doch fühlen, wie das Gewicht dieses Verbrechens auf ihm lastete. Das Rechtssystem hatte dieses Kind einmal im Stich gelassen, doch er bekam nun die Chance, für Gerechtigkeit zu sorgen.
    “Wir finden deinen Mörder, kleines Mädchen”, versprach er leise. “Ich garantiere dir, ich lasse ihn nicht ungeschoren davonkommen.”
    Foster Lawrence hatte einen bitteren Geschmack im Mund, als er sich dem Ausgang des Staatsgefängnisses in Lompoc näherte. Er würde erst dann tief durchatmen können, wenn er wirklich in Freiheit war und sich die Gefängnistore hinter ihm geschlossen hatten.
    Als er endlich draußen war, atmete er die Luft tief ein, die außerhalb der hohen Mauern sogar anders roch.
    Zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert begann er zu zittern, während ihn Euphorie erfüllte. So unglaublich es auch schien, doch es war vorüber. Er war wieder ein freier Mann.
    Dann jedoch korrigierte er sich. Er war zwar ein freier Mann, aber vorüber war es noch längst nicht. Es würde so lange nicht vorüber sein, bis er das in Händen hielt, was man ihm schuldete. All die Jahre hatte er als verurteilter Entführer hinter Gittern gesessen, während der wahre Täter unbehelligt geblieben war. Zwar hatte er zugegeben, das Lösegeld an sich genommen zu haben, doch er war getäuscht worden. Er hatte nichts davon gewusst, dass bereits ein Mord geschehen und dass Rachsucht im Spiel gewesen war. Doch als das Urteil gesprochen wurde, da war es für ihn bereits zu spät, seine Beteiligung noch zu leugnen.
    Rückblickend war es nicht so schlimm gewesen, von einem Mann Geld zu verlangen, der reich genug war, um es ihm zu geben. Mehr als etwas Geld für einen Neuanfang hatte er gar nicht gewollt.
    Das Geld hatte er bekommen, und auch den Neuanfang, auch wenn der nicht in einem Staatsgefängnis
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