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Wie ein stummer Schrei

Wie ein stummer Schrei

Titel: Wie ein stummer Schrei
Autoren: Dinah McCall
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Augen hatte sie von ihrem Vater, ebenso das Lächeln, wie ihr Großvater immer wieder beteuerte. Trotzdem fiel es ihr schwer, die zeitliche Nähe zum Tod des Mädchens zu ignorieren. Das Gleiche galt auch für die Anomalie, die sie gemeinsam hatten. Sie betrachtete die kleine Narbe an ihrer linken Hand und rieb geistesabwesend über die Stelle, an der sich früher einmal der zusätzliche Daumen befunden hatte. Es war so gut wie unmöglich, diese Übereinstimmungen als Zufälle abzutun, doch sie musste glauben, dass nicht mehr hinter der Angelegenheit steckte.
    Und nun würde auch noch ein Detective des Dallas Police Department vorbeikommen und Fragen zu ihrer Entführung stellen, an die sie sich nicht erinnern konnte.
    Sie sah auf die Uhr, es war fast zehn. Zeit, sich fertig zu machen. Der Detective sollte nicht unnötig warten. Und je eher sie seine Fragen beantwortete, umso schneller würde dieser Albtraum enden. Mit einem leisen Seufzer zog sie ihre Schuhe an, drehte sich zum Spiegel und überprüfte ein letztes Mal ihr Aussehen.
    Olivia war ein Stück größer als ihre Mutter – Marcus hatte ihr das gesagt –, aber ihr Vater war deutlich hoch gewachsener als sie selbst gewesen. Als sie an ihn dachte, wurde sie traurig, da ihr all die Jahre fehlten, die sie so gern mit ihren Eltern verbracht hätte. Dann aber kam sie sich egoistisch vor, so etwas zu denken, schließlich hatte sie immer noch Grampy.
    Als sie die Bluse glattstrich und gedankenverloren wahrnahm, wie gut das Moosgrün zu der rostfarbenen Hose passte, musste sie sich unwillkürlich fragen, weshalb sie sich so viele Gedanken über ihre Kleidung machte. Die war doch nicht der Grund, weshalb der Detective zu ihr kam. Sie schluckte, da sie einen Kloß im Hals hatte, während sie gegen das Gefühl ankämpfte, jeden Moment in Tränen ausbrechen zu müssen.
    In diesem Moment ging die Türglocke.
    “Hoffentlich geht das ohne Probleme über die Bühne”, murmelte sie und ging zur Treppe.
    Rose öffnete bereits die Tür, als Olivia sich dem Fuß der Treppe näherte. Der Mann trat ein, und fast gleichzeitig schien alles nur noch in Zeitlupe abzulaufen.
    Oh mein Gott! Trey? Trey Bonney?
    Aus dem Augenwinkel bemerkte sie ihren Großvater, der aus der Bibliothek kam und auf den Mann im Foyer zuging. Die Sonne fiel durch das bogenförmige Bleiglasfenster über der Eingangstür und zeichnete ein buntes Muster auf den blaugemaserten Marmorboden, das etwas von einem Gemälde von Monet hatte. Olivias Herz schien langsamer zu schlagen, während Erinnerungen wach wurden.
    “Trey, ich habe solche Angst.”
    “
Es geht mir nicht anders, Livvie. Ich fürchte, ich könnte etwas verkehrt machen oder dich enttäuschen. Und ich weiß, es wird für dich schmerzhaft sein.”
    Sie verschränkte die Hände hinter seinem Kopf, während sie ihm voller Leidenschaft in die Augen sah. Ein Dutzend Mal waren sie diesem Moment so nahe gewesen, und immer wieder hatten sie kurz davor einen Rückzieher gemacht. Miteinander zu schlafen, war eine große Sache, die noch bedeutender wurde, wenn es das erste Mal war. Olivia war noch Jungfrau, und Trey wusste das.
    “
Ich höre sofort auf, Livvie. Du musst es nur sagen, dann höre ich auf.”
    Olivia bekam eine Gänsehaut. “Nein, Trey, ich will es … ich will dich. Ich liebe dich doch so sehr.”
    Sie spürte, wie ein Beben durch Treys Körper ging, als er sich vorbeugte, um sie zu küssen.
    “
Olivia Sealy, du bist mein Ein und Alles.”
    Sie seufzte, und dann gab sie sich dem Unausweichlichen hin.
    Rose schloss hinter Trey die Tür und riss Olivia aus ihren Gedanken. Wie in Trance ging sie weiter und ertastete mit der Schuhspitze die nächste Stufe. Wegschauen wollte sie nicht, da sie fürchtete, Trey könnte sich in Luft auflösen. Am Fuß der Treppe angekommen, blieb sie stehen und dachte an die endlosen Nächte, in denen sie im Traum seine dunklen Augen und dieses markante, schiefe Lächeln gesehen hatte. Was hatte er mit diesem Chaos zu tun, das über ihr Leben hereingebrochen war?
    Trey ertappte sich dabei, dass er gebannt den Atem anhielt, als er klingelte. Erst als die Tür aufging und er eine Frau sah, die die Haushälterin zu sein schien, riss er sich endlich zusammen.
    “Mein Name ist Detective Bonney. Ich möchte zu Mr. Sealy, bitte.”
    Rose ging zur Seite und ließ ihn eintreten. “Ah, Detective. Er erwartet Sie bereits.”
    “Ich bin schon da”, meldete sich Marcus zu Wort, der durch den Flur geeilt kam und Trey rasch
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