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Wie ein Stein im Geroell

Wie ein Stein im Geroell

Titel: Wie ein Stein im Geroell
Autoren: Maria Barbal
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oben. Ich fühlte mich nicht mehr von dieser Welt: Es war wie ein Traum.

Z WEITER T EIL

D ie Zeit der Tränen, weil sie sich mich Jaume nicht heiraten lassen wollten, lag weit zurück. Am Ende hatte die Vernunft gesiegt. Es gab ja auch keinen Grund, weshalb wir nicht heiraten sollten. Onkel und Tante verloren kaum ein Wort darüber, doch sie hatten mancherlei Überlegungen angestellt.
    Die Aussicht, ich könnte eine bessere Partie machen, etwa mit Martí von den Sebastiàs oder einem anderen, der Umstand, daß sie an mir Elternschaft vertraten, wo die meinen doch noch lebten, die bescheidenen Verhältnisse Jaumes, der ja nur ein Handwerker war …
    Aber jeder wußte auch, daß die Sebastiàs zwar viel Land besaßen, doch wenig Lust zum Arbeiten hatten; der Vater war nicht ganz richtig im Kopf, die Mutter eine Betschwester, und der Sohn hielt nichts davon, sich krumm zu legen. Von ihm war ja schon die Rede. Ein etwas begriffsstutziger Bursche war das, der wie ein kleines Kind am Rockzipfel seiner Mutter hing. Alle drei waren sie außerdem richtige Schleckermäuler. Die Frau, die dort einmal einheiraten würde, mußte sich schon warm anziehen, und Onkel und Tante wußten das. Außerdem gab es da etwas, das zu unseren Gunsten sprach: Jaume war nicht der erstgeborene Sohn. Er könnte mit uns in Pallarès leben, und ich als zukünftige Erbin würde dann weiterhin unter der Obhut von Onkel und Tante stehen. Und daß er kein Bauer war, dieses Problem löste Jaume ganz einfach, indem er versprach, im Sommer bei den schweren Arbeiten zu helfen, beim Mähen, beim Garbenbinden und beim Dreschen. Im Winter würde er dann allerdings als Maurer arbeiten, wo immer es einen Auftrag für ihn gab. Und seinen Lohn, den sollten Onkel und Tante verwalten, und außerdem wollte er das ganze Haus wieder herrichten, das drohte nämlich einzufallen.
    Nachdem sich die erregten Gemüter erst einmal beruhigt hatten, brachte das, was anfangs ein schlechter Handel zu sein schien, nach und nach so manchen Vorteil für Onkel und Tante. Ich glaube, entscheidend war das Versprechen, über das Geld bestimmen zu können. In den Dörfern war ja Geld damals kaum in Umlauf. So ein Geldstück sah man höchstens, wenn mal ein Stück Vieh verkauft wurde.
    Ich will damit nicht sagen, daß alles ein Tauschhandel war, denn daß ich immer stiller und trauriger wurde, als sie anfänglich gegen unsere Heirat waren, trug mit dazu bei, die Wogen zu glätten, das weiß ich wohl. Nicht umsonst hatte die Tante schließlich einen sehr viel älteren Mann geheiratet, und die Liebe zweier junger Menschen ließ sie sicherlich nicht unberührt. Vielleicht war sie aber auch einfach klüger, als sie sich den Anschein gab, denn so völlig aus dem Gleichgewicht gebracht, wie ich es war, hatte sie bestimmt befürchtet, ich könnte Jaumes Wunsch nachgeben, unser eigenes Leben zu leben.
    Doch aus Dankbarkeit fühlte ich mich an Onkel und Tante gebunden, besonders an die Tante. Der Onkel war ein rechter Eigenbrötler, der seinen Weg ging, ohne viele Worte zu machen, weder im Guten noch im Bösen, ein ziemlicher Gewohnheitsmensch, der mit dem lebhaften und tatkräftigen Charakter seiner Frau zufrieden zu sein schien. In allem ließ er ihr freie Hand, nur die Aufsicht über die Feldarbeit und alles, was den Viehhandel anging, behielt er sich selbst vor. Freunde hatte er kaum, aber auch keine Feinde, denn er war fleißig und keinesfalls ein Angeber.
    Um mich hatte sich fast ausschließlich die Tante gekümmert, und ich fühlte mich schuldig, wenn ich nur daran dachte fortzugehen. Vielleicht hatte ich im Grunde aber auch Angst, etwas wieder zu verlieren, das ich doch gerade erst zubesitzen gelernt hatte. Jaume akzeptierte diese Unfähigkeit, mich wirklich frei zu fühlen, und gemeinsam mit mir verschrieb er sich einem Stück Land und zwei Menschen, die es gewohnt waren, alles selbst zu regeln, ohne dabei irgend jemanden um Rat zu fragen. Aber man muß auch sagen, daß unsere Liebe uns damals für allen Verdruß entschädigte.

W ieder war es Sommer geworden. Man schrieb den Juni 1921. Die Wiesen leuchteten goldgelb, und der Klatschmohn stand in voller Blüte; überall war das Surren der Fliegen auf ihrer beharrlichen Jagd nach Nahrung zu hören. Am Flußufer zeigten die wilden Haselnußsträucher, die Nußbäume und Schwarzpappeln ihr sattes Grün. Die Berge glichen einem einzigen Ameisenhaufen. Zwischen all dem Gelb und Grün waren sie von Arbeitern bevölkert und von Karren auf
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