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Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition)

Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition)

Titel: Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition)
Autoren: Sandra Brown
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Augenblicke fanden sich ihre Blicke. Unvermittelt fühlte Lauri ein ungewohntes, aber angenehmes Prickeln in der Bauchgegend. Langsam schwante ihr, warum andere Frauen darauf fieberten, ihn jeden Nachmittag im Fernsehen zu sehen. Er hatte wirklich Charisma, und er wusste es. Wenn sie nicht höllisch aufpasste, brächte er sie glatt noch von dem Grund ihrer Anwesenheit ab.
    »Drake.« Sie arbeitete jetzt zusätzlich mit der Zeichensprache, wie sie es als Lehrerin für Hörgeschädigte gewohnt war. »Doktor Norwood bat mich, mir einen Eindruck von Jennifers Fortschritten zu bilden. Ich habe sie mehrere Tage lang beobachtet und mein Urteil ist sicher fachlich fundiert, aber letztlich eben doch meine persönliche Einschätzung. Trotzdem möchte ich ganz aufrichtig mit Ihnen sein.«
    »Ich bitte darum. Sicher halten Sie mich für einen schlechten Vater, weil ich meine dreijährige Tochter schon als Baby in ein Internat gesteckt habe. Aber ich liebe sie. Ich
bin besorgt um sie und möchte nur das Beste für sie.« Er stand auf und schlenderte zum Fenster. Mit dem Rücken zu Lauri, spähte er durch das schmutzige Glas.
    »Bitte beobachten Sie meine Gebärdensprache, Drake. Dann lernen Sie schneller.« Er schnellte provozierend zu ihr herum und kehrte dann mit einem wegwerfenden Schulterzucken zu seinem Sessel zurück.
    Sachlich fuhr sie fort: »Sie haben Glück. Jennifer ist nicht völlig taub. Sicher wissen Sie, dass ihre Hörschädigung sensorisch-neuronale Ursachen hat und nach derzeitigem Kenntnisstand irreparabel ist. Sie hört einige laute Geräusche. Zum Beispiel kann sie zwischen einem Hubschrauber und einem Pfeifen unterscheiden.« Sie machte eine Pause, wartete auf seine Reaktion. Da er schwieg, nahm sie den Gesprächsfaden wieder auf. »Leider kennt sie weder den Begriff für Hubschrauber noch für Pfeifen. Oder vielleicht doch, aber sie teilt sich uns nicht mit. Sie reagiert absolut nicht auf irgendeine Form von Kommunikation.«
    Die Linien um seine Mundwinkel verhärteten sich. »Wollen Sie damit ausdrücken, sie ist geistig zurückgeblieben?«
    »Um Himmels willen, nein«, ereiferte sich Lauri. »Sie ist unglaublich aufgeweckt. Nach meiner Ansicht fehlt ihr die … na ja, manche Kinder reagieren ausschließlich auf persönliche Ansprache, das heißt eine direkte Bezugsperson. Ich persönlich glaube, dass der Internatsaufenthalt Jennifers Entwicklung eher geschadet hat. Sie braucht eine vertraute Umgebung, wo sie ständig die Gesellschaft von jemandem hat, der … der …« Sie brach ab, weil sie ihn sonst womöglich kompromittiert hätte.
    »Der sie liebt ? Ist es das? Ich hab Ihnen bereits zu erklären
versucht, dass ich sie liebe. Ich hab sie ganz sicher nicht in dieser Schule weggesperrt, weil ich mich ihrer schäme.«
    »Ich wollte Sie nicht …«
    »Oh doch!«, erregte er sich. »Wenn Sie alles so viel besser wissen, dann raten Sie einem Witwer mit einem Baby doch mal, was er mit seinem Kind tun soll? Zumal, wenn dieses Kind taubstumm ist. Hmm? Ihr großartiges Institut ist teuer, und um mir das leisten zu können, muss ich hart arbeiten. Hinzu kommen die Arztrechnungen nach unzähligen Tests, die nicht mehr ergeben haben, als dass meine kleine Tochter taub ist. So schlau war ich auch schon vorher. Oder hätte ich die Kleine sonst diesen verdammt unangenehmen Untersuchungen ausgesetzt?«
    Er hielt inne, um Luft zu holen, seine grünen Augen blitzten verärgert auf. »Wenigstens sind wir uns in einem Punkt einig. Jennifer muss privat unterrichtet werden.« Er stand so abrupt auf, dass der Sessel ächzend zurückrollte. »Aber nicht von Ihnen.« Er stürmte um den Schreibtisch herum, stützte seine kräftigen Arme resolut auf ihre beiden Stuhllehnen auf. Lauri fühlte sich zunehmend unbehaglich.
    »Ich habe Doktor Norwood erklärt, dass ich jemanden Seriöses suche. Der zuverlässige Omatyp in Strickjacke mit ausgebeulten Taschen – und kein junges Ding in Designerklamotten.« Sein Blick glitt regelrecht anzüglich über ihren Körper. »Jemand mit einem grauen Dutt auf dem Kopf und nicht mit modisch flammendroter Mähne à la Vidal Sassoon. Eine mütterlich wirkende Person mit ein bisschen Übergewicht, nicht mit spitzem Busen und knackigem kleinen Hintern.« Lauri wurde knallrot vor Ärger und Entrüstung. Was bildete er sich bloß ein?!
    »Jennifers Lehrerin sollte Krampfadern haben und Gesundheitsschuhe tragen, nicht …« Er blickte auf ihre schlanken Fesseln, die in hauchfeinen Nylons steckten,
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