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Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)

Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)

Titel: Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
Autoren: Sandra Brown
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im Lokal bahnte. Er suchte die verschwitzten Gesichter ab, bis sein Blick auf dasjenige fiel, das er suchte. Er machte eine verabredete Kopfbewegung, und wenige Augenblicke, nachdem er den Garten Eden verlassen hatte, stieß draußen im Schatten des Bürgersteigs jemand zu ihm. Die Unterhaltung war kurz und knapp, die Anweisungen klar.
    Der Mann kehrte in den Saloon zurück. Dub Abernathy ging zu seinem Einspänner, den er einige Blocks entfernt geparkt hatte. Er kletterte hinein und schnalzte mit der Zunge. Durch die laue Nacht fuhr er nach Hause, wo seine Familie auf ihn wartete.
    Sugar Dalton erwachte früher als gewöhnlich. Es dämmerte noch nicht einmal, als sie sich mit einem sauren Geschmack im Mund im Bett herumwälzte und ein Schmerz im linken Arm sie daran hinderte, wieder einzuschlafen.
    Sie rutschte vorsichtig an den Bettrand und setzte sich benommen auf. Mit zitternden Händen umklammerte sie ihren Kopf, als sie sich vorbeugte, um von der eingesunkenen Matratze hochzukommen, auf der sie Jahre verbracht, unzähligen Männern Lust bereitet hatte.
    Was hatte sie gestern Abend bloß gegessen, dass sie jetzt so ein Sodbrennen hatte? Wann hatte sie überhaupt das letzte Mal gegessen? Seit sie die Belohnung erhalten hatte, gab sie alles für Whisky aus.
    Sie stolperte die dunkle Treppe hinunter, nachdem sie sich entschieden hatte, dass alles, was ihr fehlte, ein Besuch auf der Toilette war. Sie ging durch die dämmrigen Räume und öffnete die Hintertür.
    Der Tau unter ihren bloßen Füßen war kalt und nass, als sie auf den schmalen Grasstreifen trat, der von der Hintertür zum Abort führte. Sie hob den Saum ihres Nachthemdes und ging auf Zehenspitzen. Als sie aufblickte, um abzuschätzen, wie weit es noch war, blieb ihr ein Schrei im Halse stecken.
    Das graue, dunstige Morgenlicht trug noch zu der gespensterhaften Wirkung des entsetzlichen Anblicks bei, der sich Sugar bot.
    Die Herrin des Garten Eden war an die Wand des Abortes genagelt worden. Die Schlinge, durch die sie zu Tode gekommen war, lag noch um ihren Hals. Ihr Gesicht war blau angelaufen, ihre Lippen und die vorstehende Zunge purpurrot. Ihre Augen quollen auf obszöne Weise heraus. Strähnen aschblonden Haares wehten gespenstisch im schwachen Wind und wirkten so kummervoll und grau wie Moos, das von den Zweigen abgestorbener Bäume herabhing. Arme und Beine waren gegen die verblichene Wand des Abortes gespreizt. Das Blut an ihren Handflächen und Füßen, wo die Nägel hineingehämmert worden waren, war zu rostfarbenen Flecken getrocknet.
    Sie war nackt.
    Sugar versuchte zu schreien, aber es entrang sich ihr nur ein heiseres Krächzen. Ihr linker Arm schien mit einem Schmerz, der sie förmlich zerriss, von ihrem Körper losgezerrt zu werden. Sie versuchte zu laufen, aber die Knie gaben unter ihr nach. Ihr Herz, das in Jahren des Alkoholmissbrauchs auf die Probe gestellt worden war, hatte aufgehört zu schlagen, bevor die weiche, feuchte Erde ihren Fall dämpfte.
    Später an jenem Tag war der Pastor verärgert darüber, dass seine Post nicht ins Pfarrhaus zugestellt wurde. Ein solches Versehen war völlig unentschuldbar, und das sagte er dem Postmeister auch. Aber die Schlagzeilen in der Tageszeitung beschwichtigten ihn ein wenig. Der entsetzliche Tod von Priscilla Watkins und Sugar Dalton lieferte ihm neue Munition für die Predigt über die Qualen der Hölle, die er diesen Sonntag halten wollte.
    Überall in Fort Worth schüttelten die Bürger traurig die Köpfe über den grausigen Bericht, den sie in der Zeitung lasen. Zwei gefallene Mädchen waren gestorben, eine davon gewaltsam. Man musste Mitleid mit ihnen haben, aber schließlich stand geschrieben, dass man erntete, was man säte. Am Abend waren die beiden Todesfälle schon nichts Neues mehr.
    Sie waren wirklich nichts Neues. Huren starben in Hell’s Half Acre mit beklagenswerter Häufigkeit.
    Es war ein Wunder. Ross lebte immer noch.
    Langsam krochen die nächtlichen Stunden dahin. Lydia hörte die Uhr schlagen, aber sie wich nicht von seiner Seite. Mit jeder verrinnenden Minute fiel ihm das Atmen schwerer.
    Nur mit äußerster Anstrengung hatte sie sich beherrschen können, als der Arzt traurig den Kopf schüttelte, nachdem er die Wunde untersucht hatte. Leise erklärte er, dass er nichts mehr tun könne. Selbst Jake, um den der Arzt einen weiten Bogen schlug, nachdem er von seinem Kollegen gehört hatte, welches Naturell dieser Mann besaß, widersprach nicht. Es war für alle
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