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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir
Autoren: Ellen Dunne
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Seán Ferguson am Boden, wimmerte im Takt seiner flachen Atemzüge, drückte den Stoff seines T-Shirts an die Seite. Scharlachrot auf sonnengelb. Will hockte sich zu ihm und zog seine Hand beiseite. Sah den unnatürlich angeschwollenen Bauch, der sich unaufhaltsam weiter füllte mit Blut und Organinhalten. Er brachte es nicht über sich, den Stoff anzuheben, der ganzen Wahrheit ins Auge zu sehen, ließ Fergusons Hand wieder los, die zurückschnellte an die Wunde. Er schien Will nicht wahrgenommen zu haben, hustete plötzlich und spuckte eine kleine grellrote Pfütze auf den Boden.
    „Wir haben ihn von dem Stuhl da geschnitten“, sagte ein anderer Sergeant und zeigte auf ein Spanplattenteil mit Metallfüßen. „Wer auch immer bei ihm war, ist durch die Scheune abgehauen.“
    „Ist der Krankenwagen unterwegs?“
    „Ja, aber …“ Der Sergeant zuckte die Achseln, sah ihn zweifelnd an.
    Der Nebel in Wills Kopf verdichtete sich. Niemand sprach daraus zu ihm. Nicht Hugh, nicht Jenny, nicht Kate.
    „Überprüft die Scheune, der kann nicht weit sein. Er hier muss sich beruhigen, sonst geht’s noch schneller. Sein Bruder soll das machen.“
    Der Sergeant nickte und verschwand, kam Will auf dem Weg nach draußen gemeinsam mit Ferguson entgegen, dessen Blick so betäubt war, wie Will sich fühlte. Ihm wurde schwindlig, und er lehnte sich mit der Stirn an die Mauer neben dem Eingang, spürte ihre Kälte, schloss die Augen.
    „Dally, ich bin hinüber“, gurgelte es drinnen, ging dann in ein Schluchzen über. „Dieses Schwein hat – ich bin hinüber, hörst du?“
    „Blödsinn“, flüsterte Fergusons Stimme. Ein Vater, der seinen Sohn über seine Albträume hinwegtröstete. „Du bist nicht hinüber. Du kommst ins Krankenhaus, Bridie und ihr neuer Typ flicken dich zusammen, das war’s.“
    Will öffnete die Augen. Immer noch Nebel. Gut so. Er wollte gar nicht wissen, was sich darunter verbarg.
    Er ließ das Flüstern und Schluchzen hinter sich, den Flur, das Nebenhaus. Ein Volvo Kombi und ein Nissan parkten dort, der Rückweg versperrt von zwei gepanzerten Polizeifahrzeugen.
    Im Parklicht eines der Panzerwagen stand Brian Hanlon und hörte Hugh seine Rechte verlesen, als hätte das alles nichts mit ihm zu tun. Als Will die Gruppe passierte, lächelte er ihm zu.
    Hugh lächelte auch. Operation Brutus, ein Erfolg. Freeman würde sich erkenntlich zeigen. Will brach den Blickkontakt ab, ging zum Haupthaus, nahm den Hintereingang. Seine Schritte hallten von den Fliesen des Flurs wider. Überall hingen Fotografien der irischen Westküste in schwarz-weiß. Und da vorne war das Telefon, von dem Seán Ferguson vermutlich um Hilfe gerufen hatte, vor gerade mal neunzig Minuten. Draußen schlugen Autotüren, knirschte Kies unter Reifen.
    Er warf einen Blick in das leere Wohnzimmer. Auf dem niedrigen Tisch vor der Couch türmten sich Getränkeflaschen und Pappteller. Er setzte sich, starrte auf den Fernseher, ohne zu blinzeln, so lange, bis seine Augen brannten von all der Trockenheit und dem Salz darin. Fixierte die glänzende Oberfläche des Bildschirms, sein konisches Selbst, das den Kopf in die Hände legte, Finger, die durchs Haar kämmten, immer und immer wieder. Er musste Kate anrufen. Ihr sagen, was passiert war. Aber was war denn passiert? Was war denn verdammt noch mal passiert?

Epilog: Weiterleben
     
    Sie ging die Straße hinunter, rund um sie Lärmen und Hämmern; das Heulen der Lastseile von Kränen. Im Vorübergehen murmelte sie die Hausnummern und blieb am einzigen Haus ohne Schild stehen. Eine blitzblau lackierte Tür, die Fensterrahmen in derselben Farbe. Im Fenster blinkte eine elektrische Lichterkette. Sie drückte auf die Klingel gleich neben dem Eingang. Drinnen surrte es, aber nichts rührte sich. Sie betrachtete das Display ihres Mobiltelefons. Ob sie anrufen sollte? Sie musste sich inzwischen so viele Notizzettel hinterlassen. Vielleicht hatte sie sich mal wieder vertan. Sie griff nach dem blank polierten Metallring an der Tür. Tack, tack, tack.
    „Hallo, jemand da?“
    Ein alter Mann mit einem Einkaufswägelchen zockelte vorüber und betrachtete sie neugierig von der anderen Straßenseite aus.
    „Suchense mal im Himmel nach Antworten, junge Frau!“ Er kicherte zahnlos und watschelte weiter die Straße hinunter, sein langer Wollmantel flappte im Wind. Sie runzelte die Stirn. Was für ein Spaßvogel.
    Jetzt erst hörte sie die Musik. Sie schien vom Dach des Hauses zu kommen. Eine Menge Gitarren.
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