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Wie die Iren die Zivilisation retteten

Wie die Iren die Zivilisation retteten

Titel: Wie die Iren die Zivilisation retteten
Autoren: Thomas Cahill
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quae Latias vinis alumna pupas.

    Wonne, Schmeichelei, Spiel, Begehren, Höhepunkt –
    Barbarin! doch du, Kind, überragst alle lateinischen Mädchen.

    Das klingt doch schon nach echter Dichtung – jedes Substantiv be-
    schreibt die steigende Erregung des Dichters, bis er im Moment des Orgasmus barbara stöhnt. Doch dann erkennen wir, daß er nur Catull nachahmt.
    Im Jahre 375 besteigt der junge Gratian den Thron, den er sich nach dem Tod seines Vaters mit seinem Bruder Valentinian II. teilt. Zu diesem Zeitpunkt erreicht Ausonius’ Stern den Zenit: Er wird quaestor sacri palatii , eine Art Generalstabschef der Kaiser. Im selben Jahr erhält sein Vater, der auf die Neunzig zugeht, das Ehrenamt des Präfektes von Illyricum; und im nächsten wird sein Sohn zum Prokonsul von
    Afrika ernannt. Weitere Ehren folgen – für den Vater, für den Sohn, für den Schwiegersohn, für den Neffen –, und im Jahre 379 wird
    Ausonius zum Konsul ernannt – die höchste Position, die ein Römer (mit Ausnahme der königlichen Familie) erreichen kann.
    Im alten republikanischen Rom hatten die Konsuln – es gab zwei,
    damit sie einander überwachen konnten, und sie wurden für jeweils nur ein Jahr gewählt, womit eine Diktatur verhindert werden sollte –
    die exekutive Spitze der römischen Regierung gebildet. Doch in der entscheidenden Seeschlacht von Aktium im Jahre 31 v. Chr. besiegte Oktavian seinen Kokonsul Mark Anton, der die republikanische
    Tugend befleckt hatte, indem er sich in Ägypten mit Kleopatra zu-
    sammentat. Oktavian übernahm die Reichsmacht und wurde Augu-
    stus Caesar, der erste Kaiser – und von dieser Zeit an war das Amt des Konsuls nur noch ein ehrenamtliches, eine verkümmerte Mah-nung an die republikanische Tugend und rein ornamental.
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    Das Amt des Konsuls war nicht die einzige schmückende Stellung
    in der römischen Gesellschaft: Die Ewige Stadt füllte sich mit macht-losen Männern – Senatoren, Beamten, geschäftigen Verwaltungsange-
    stellten aller Art –, die sinnlosen Aufgaben nachgingen. Augustus hatte es, als er alle Macht an sich riß, weise bei sämtlichen republikanischen Rangfolgen und Ämtern belassen. Die daraus entstehende
    Maskerade unterstrich nur, daß es einzig darauf ankam, wie man die Dinge tat – denn niemand wollte die Nichtigkeit dessen, was getan wurde, sehen. Während der vier Jahrhunderte, die von Augustus bis Ausonius vergingen, wurde das Leben in der Hauptstadt immer
    substanzloser und brüchiger, so daß eine beliebige Zeremonie, pedan-tisch genau vollzogen, zum Höhepunkt im Leben eines Mannes
    werden konnte. Im Falle Ausonius’ war dies eine komplizierte Rede, seine Gratiarum Actio oder Dankesrede, die er am Ende seines Jahrs als Konsul hielt und in der er dem anwesenden Kaiser Augustus
    unglaublich ausgefeilte und endlose Dankesbekundungen entgegen-
    rief.
    Die Macht des heiligen Kaisers gründete sich vor allem in seinem
    Amt als imperator, Oberbefehlshaber, einem Amt, dessen Bedeutung
    während der politischen Unruhen zur Zeit von Augustus zu stark
    zugenommen hatte. Doch beinahe ebenso wichtig wie die militärische Macht war seine Macht über die Steuern. »Es begab sich aber zu der Zeit«, schrieb Lukas im berühmtesten Stück Literatur über die römische Steuererhebung, »daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus
    ausging, daß alle Welt geschätzet würde.« So wird die Geburt Jesu zur Zeit der Regentschaft des ersten Kaisers angesetzt » toto orbe in pace composito « (»die ganze Welt lag in Frieden«), wie ein Chronist des fünften Jahrhunderts es darstellt. Doch der Frieden der ganzen Welt –
    das heißt der Welt, die von Interesse war – mußte teuer bezahlt werden: Die unaufhörlichen Forderungen der kaiserlichen Steuereintreiber wurden immer ungerechter.
    Ebenfalls aus den Evangelien kennen wir den Haß der Juden im
    ersten Jahrhundert auf die römischen Steuereintreiber. Zur Zeit von Ausonius war dieser Haß bereits universell. Hier muß ich meine Leser um ein großes Zugeständnis bitten: um Mitleid für den armen Steuer-27
    eintreiber, dessen Leben weit ärmlicher war als das derjenigen, die seine Forderungen zu erfüllen hatten. Der Steuereintreiber oder
    curialis wurde in sein Amt hineingeboren. Können Sie sich das Entsetzen bei der Erkenntnis vorstellen, in eine Klasse von Würmern
    hineingeboren zu sein, die ihr gesamtes Erwachsenenleben damit
    zubringen mußten, bei den nächsten Nachbarn Steuern einzutreiben –
    ohne jeden Ausweg?
    Doch
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