Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie deutsch ist das denn?!

Wie deutsch ist das denn?!

Titel: Wie deutsch ist das denn?!
Autoren: Jürgen Ahrens
Vom Netzwerk:
vermeintliche Vorrangstellung des » Westens « gründet, hat ihren tatsächlichen Ursprung in asiatischen Ländern. China als Plagiator? Da müssen wir uns rückblickend wohl auch an die eigene Nase fassen, denn über Jahrhunderte war es eher umgekehrt: Was Chinesen erfanden, machten andere nach, wie etwa den Kompass, oder stahlen es schlicht und einfach – so das bereits angesprochene Geheimnis der Papierherstellung, das in China schon vor fast zweitausend Jahren bekannt war. Es wurde chinesischen Papierfabrikanten (vermutlich im 8. Jahrhundert von Arabern) gewaltsam abgepresst, und so entstanden ab 794 in Bagdad die ersten Papiermühlen diesseits des Fernen Ostens. 1144 errichteten die Mauren in Spanien die erste vergleichbare Anlage Europas, und erst 1390 wurde auch in Deutschland – korrekter gesagt, in Mittelfranken – erstmals Papier hergestellt.
    Ebenso ist der Buchdruck entgegen einem verbreiteten Missverständnis keine deutsche Erfindung: Er war in China seit dem frühen 11. Jahrhundert bekannt, und schon 1234 druckte man in Korea erstmals mit beweglichen Lettern. Was Johannes Gutenberg zweihundert Jahre später erfand, war nicht der Buchdruck, sondern ein Handgießinstrument zur Herstellung beweglicher Lettern in großer Zahl. Und er kombinierte bestehende Erfindungen zu einem neuen Druckverfahren, das erstmals die massenhafte Produktion von Büchern ermöglichte.
    Ein weiteres Geheimnis, das in China lange streng gehütet wurde, war das des Porzellans. Erst 1707 gelang es dem thüringischen Alchemisten Johann Friedrich Böttger in Dresden, hinter den Trick zu kommen und ein Gefäß aus Porzellan herzustellen.
    Direkt aus der arabischen Welt wiederum stammen optische Errungenschaften wie die Lupe oder die » Camera obscura « , ohne die wir heute weder Fotografie noch Film und Fernsehen kennen würden. Der Mathematiker, Optiker und Astronom Abu Ali al-Hasan ibn al-Haitham aus Basra im heutigen Irak (leichter zu merken unter seinem Kurznamen Alhazen) entdeckte das Prinzip, nach dem alle Linsen funktionieren, schon um die vorletzte Jahrtausendwende.
    Was wäre außerdem die heutige – nicht nur deutsche und europäische, sondern weltweite – Popmusik ohne das Morgenland? Gar nichts. Zumindest klänge sie ganz anders, denn zwei ihrer wichtigsten Instrumente, die Gitarre und das Becken, stammen ursprünglich aus Asien.
    Der mit Abstand wichtigste orientalische Import ist jedoch unser Zahlen- und Rechensystem, dessen Wurzeln in Indien liegen und das in Europa erst zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert eingeführt wurde. Zuvor bereitete es große Schwierigkeiten, sehr viel weiter zu zählen als bis tausend, denn die größte römische Ziffer ist bekanntlich das M (als Abkürzung für » mille « ). Zwar wurden im antiken Rom für die Vervielfachung der Zahl 1000 noch andere, etwas kompaktere Zeichen verwendet, aber in der mittelalterlichen und bis heute gültigen Darstellung gibt es sie nicht mehr. Das heißt, römische Zahlen, die über 1000 hinausgehen, werden ab dem fünften Tausender unübersichtlich, und spätestens bei Millionenangaben hat man es mit einem wahren Gartenzaun von Buchstaben zu tun. Für die Zahl 1.234.567 zum Beispiel findet sich in Wikipedia die Schreibweise MCCXXXIV · M DLXVII . Viel Spaß beim Entziffern.
    Man erkennt schnell, dass eine derartige Aneinanderreihung nicht weiterführt – und rechnen kann man auf diese Weise schon gar nicht. Rechnen, so wie wir es kennen, ist erst durch eine der genialsten Erfindungen der Menschheit möglich geworden: die Null (im Sanskrit bezeichnet als sunya, » das Nichts « ). Sie bildet die Grundlage nicht nur des Dezimalsystems, sondern auch aller heutigen Bits und Bytes. Ohne Null wären die moderne Mathematik und Physik nicht denkbar, hätte ein Deutscher namens Konrad Zuse nicht den Computer erfinden können, gäbe es kein Handy, kein Smartphone, kein Internet und kein iPad.
    Es ist nicht eindeutig überliefert, wann und wo die rein philosophische Beschäftigung mit dem » Nichts « zur Geburt eines definierten Zahlenwerts führte. Jedenfalls erscheint die Null als vollwertige Zahl erstmals in einem Text des indischen Astronomen und Mathematikers Brahmagupta aus dem Jahr 628. Brahmagupta entwickelte auch die ersten Regeln für das Rechnen mit der Null, die schon weitgehend unseren heutigen entsprechen. Über die arabische Welt gelangte sein Wissen dann weiter nach Westen. Wichtige Adepten waren der persische Mathematiker Al-Khwarizmi (von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher