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Wie angelt man sich einen Daemon

Titel: Wie angelt man sich einen Daemon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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hatte. Hundertprozentig wusste ich es allerdings nicht. Und dies war auch nicht der Tag, an dem ich es herausfinden würde. Irgendwann würde ich es vielleicht einmal erfahren, aber heute jedenfalls nicht.
    Allie entging unser kleiner Austausch nicht. »Irgendetwas stimmt auch mit Mr. Long nicht«, sagte sie. »Wenn du im Museum Wonder Woman warst, dann war er echt voll der Supermann.«
    Ich musste über ihre Formulierung lachen, auch wenn sie natürlich recht hatte. Indem ich sie in meine Geheimnisse einweihte, würde ich allerdings wahrscheinlich meinen neuen Status als Wonder Woman wieder einbüßen.
    »Komm«, sagte ich und nahm sie an der Hand. Wir gingen die Stufen vor dem Museum hinunter zu dem Kiesweg, der sich durch den Park rund um das Gebäude schlängelte.
    Allie zog nicht einmal wie sonst inzwischen üblich die Hand weg, sondern ließ sich von mir führen. Ihre Reaktion überraschte mich. Voll Sehnsucht dachte ich an jene schon lange vergangenen Jahre, als ich einfach nur meine Finger ausstrecken musste, um ihre kleine Hand zu spüren, die sie sogleich ergriff.
    »Also – du weißt doch, dass ich in Italien aufgewachsen bin«, begann ich und warf ihr von der Seite einen Blick zu. »Und zwar in einem Waisenhaus.«
    Sie nickte, denn dieser Teil meiner Vergangenheit war niemals ein Geheimnis gewesen. Sie wusste zwar nicht, wie ich in dieses Waisenhaus gelangt war oder wer meine Eltern gewesen waren, und auch nicht, wie es überhaupt dazu gekommen war, dass ich, ein amerikanisches Mädchen, allein und verlassen durch die Straßen von Rom wanderte. Aber auch ich konnte diese Fragen nicht beantworten.
    Jahrelang hatte ich mir eingeredet, dass mich auch gar nicht interessierte, woher ich eigentlich kam. In meiner Vorstellung hatte mein Leben an dem Tag begonnen, als ich zum ersten Mal Padre Corletti begegnet war. Alles davor kam mir wie ein weißes Rauschen vor – ohne Konturen und ohne klare Töne.
    »Nun gut… Ich wuchs in Wahrheit aber in keinem Waisenhaus auf, das der Kirche nahestand«, fuhr ich fort, »sondern ich wurde in einem Waisenhaus erzogen, das zur Kirche gehörte und von einer kleinen Gruppe innerhalb der katholischen Kirche betreut wurde.«
    »Daddy doch auch – oder?«
    »Ja, Daddy auch«, sagte ich. Allie hatte bereits mehr als einmal die Geschichte gehört, wie ich mich in meinen ersten Mann Eric verliebt hatte, als ich gerade einmal dreizehn Jahre alt gewesen war. Er jedoch – im Alter von fast fünfzehn schon wesentlich klüger und reifer als ich – hatte sich nicht im Geringsten für eine Göre wie mich interessiert. Zumindest nicht am Anfang.
    Was Allie jedoch nicht wusste, war, dass Eric es sich während unserer gemeinsamen Übungsstunden anders überlegt hatte. Ihm war der Auftrag erteilt worden, mir mit meinen wirklich miserablen Künsten als Messerwerferin auf die Sprünge zu helfen. Nach mehreren Monaten, die wir großenteils zu zweit verbracht hatten, war Eric genauso in mich verliebt gewesen wie ich in ihn. Und ich hatte danach mit dem Messer immer problemlos mitten ins Schwarze getroffen.
    »Okay«, sagte meine Tochter. »Und?«
    »Dieses kleine Wörtchen scheint dir heute besonders gut zu gefallen«, entgegnete ich.
    Daraufhin blieb meine melodramatische Tochter erst einmal auf dem Kiesweg stehen, tappte ungeduldig mit dem Fuß auf und fragte mich, ob sie das Wort vielleicht noch einmal Wiederholen müsse.
    »Zweimal hat mir gereicht«, sagte ich und schaffte es, nicht zu lachen. »Aber kannst du mir verraten, wann du eigentlich erwachsen geworden bist?«
    »Vor etwa einer Stunde«, erwiderte sie, drehte sich um und zeigte auf das Museum. »Da drinnen.«
    Schon verstanden.
    »Forza Scura«, sagte ich. »Das ist italienisch und heißt so viel wie dunkle Macht. Und«, fuhr ich fort, ehe sie mir das Wörtchen erneut um die Ohren schleudern konnte, »es ist der Name der kirchlichen Organisation, bei der dein Vater und ich unsere Ausbildung erhielten.«
    »Ausbildung«, wiederholte sie nachdenklich. Ich nickte und beobachtete ihre Miene, während sie die Information verdaute. »Okay«, sagte sie schließlich. »Und wozu wurdet ihr ausgebildet?«
    Nun war es an mir, mich umzudrehen und auf das Museum zu zeigen. »Du kannst ja mal raten.«
    »Wow«, staunte Allie. »Ohne Scheiß?« Schnell fügte sie hinzu: »Sorry, Mami.«
    Ich lächelte und drückte ihre Hand. »Ohne Scheiß«, antwortete ich. »Die Forza hat uns beide zu Dämonenjägern ausgebildet. Als solche haben wir viele

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