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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz
Autoren: Gregory Maguire
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schmerzverkrümmt, um sich aufzurichten und zu schauen, wer es war. »Ich verstecke dich im Kartoffelkeller, jawohl, unter einem Sack«, redete ihm die Frau gut zu, »denn heute Abend werden sie mit Heugabeln auf dich Jagd machen, so wie dieses Monstrum sie aufhetzt. Sie werden dich bei dir zu Hause suchen, aber nicht bei mir im Keller.«
    Â»Melena«, krächzte er. »Sie werden sie finden …«
    Â»Für sie wird gesorgt«, sagte seine Wohltäterin. »Das werden wir Frauen wohl noch zuwege bringen.«
    Während Melena im Pfarrhaus darum rang, bei Bewusstsein zu bleiben, strichen ständig zwei Hebammen an ihrem getrübten Blick vorbei, eine Fischfrau die eine, eine zittrige Alte die andere. Abwechselnd fühlten sie ihr die Stirn, lugten ihr zwischen die Beine und warfen verstohlene Blicke auf die paar schönen Schmuckstücke undWertgegenstände, die Melena aus Kolkengrund hatte mitbringen können.
    Â»Jetzt kau schön brav diese Paste aus Spitzlappblättern, Gnädigste, dann bist du im Nu bewusstlos«, sagte die Fischfrau. »Du entspannst dich, der kleine Liebling kommt herausgeflutscht, und am Morgen ist alles in bester Ordnung. Ich dachte, du würdest nach Rosenwasser und Feentau duften, aber du stinkst wie wir anderen auch. Nun kau schon, Melena, kau!«
    Als es klopfte, blickte die Alte schuldbewusst von der Truhe auf, die sie kniend durchstöberte. Sie ließ den Deckel zuknallen und nahm Gebetshaltung an, die Augen geschlossen. »Herein!«, rief sie.
    Ein junges Mädchen mit zarter Haut und gerötetem Gesicht trat ein. »Hab ich mir doch gedacht, dass jemand hier ist«, sagte sie. »Wie geht’s ihr?«
    Â»Sie ist geschafft und hat’s bald geschafft«, antwortete die Fischfrau. »Noch eine Stunde, würde ich schätzen.«
    Â»Ich soll euch warnen. Die Männer sind betrunken und machen die Gegend unsicher. Sie sind von diesem Drachen der magischen Uhr aufgehetzt worden, und jetzt suchen sie Frex und wollen ihn umbringen. Die Uhr hat es befohlen. Sie werden wahrscheinlich bald angetorkelt kommen. Wir sollten die Frau lieber in Sicherheit bringen – lässt sie sich wegschaffen?«
    Nein, ich lasse mich nicht wegschaffen, dachte Melena, und wenn die Bauern Frex finden, dann sollen sie ihn in meinem Namen gnadenlos abmurksen, denn ich habe noch nie so furchtbare Schmerzen gehabt, dass ich das Blut hinter den eigenen Augen sehen konnte. Tötet ihn dafür, dass er mir das angetan hat. Bei diesem Gedanken lächelte sie und wurde ohnmächtig.
    Â»Wir lassen sie lieber hier liegen und machen uns davon«, sagte die Jungfer. »Die Uhr will, dass sie ebenfalls stirbt, und der kleine Drache, den sie zur Welt bringt, auch. Ich will nicht erwischt werden.«
    Â»Das ist gegen unsere Ehre«, sagte die Fischfrau. »Wir können das feine Dämchen nicht mitten in der Geburt im Stich lassen. Ist mir gleich, was irgendeine Uhr dazu sagt.«
    Die Alte, die den Kopf wieder in der Truhe hatte, sagte: »Jemand Interesse an echter Spitze aus Gillikin?«
    Â»Auf dem unteren Feld steht ein Heuwagen, aber wir müssen sofort handeln«, sagte die Fischfrau. »Kommt, helft mir ihn holen! Und du, alte Mutter Gierhals, nimm die Nase aus der Wäsche und kühle lieber diese hübsche rosige Stirn. Gut, auf geht’s!«
    Wenige Minuten später zogen die Alte, die Mittelalte und die Junge den Heuwagen auf einem selten benutzten Weg durch das Gestrüpp und Farndickicht des Herbstwalds. Der Wind war stärker geworden. Er pfiff über die baumlosen Höhen der Tuchberge. Melena, halb ohnmächtig in Decken verpackt, wälzte sich und stöhnte vor Schmerzen.
    Sie hörten eine betrunkene Meute mit Heugabeln und Fackeln vorbeiziehen, und starr vor Angst blieben die Frauen mucksmäuschenstill stehen und lauschten den genuschelten Verwünschungen. Dann setzten sie ihren Weg mit größerer Eile fort, bis sie an ein nebeliges Waldstück kamen – den Friedhof für die ungeweihten Toten. Auf einmal erblickten sie die verschwommenen Umrisse der Uhr. Der Zwerg, der nicht dumm war, hatte sie zur Sicherheit dort abgestellt, wohl in der Annahme, dass dieser entlegene Winkel der letzte Ort der Welt war, den die schreckhaften Dörfler in dieser Nacht aufsuchen würden. »Der Zwerg und seine Jüngelchen haben auch in der Schenke getrunken«, sagte die Jungfer atemlos.
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