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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz
Autoren: Gregory Maguire
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»Hier wird uns niemand in die Quere kommen.«
    Die Alte sagte: »Du hast also durchs Wirtshausfenster die Männer beobachtet, du Schlampe?« Sie stieß die Klappe an der Rückseite der Uhr auf.
    Dahinter war Platz zum Unterkriechen. Pendel hingen unheildrohend im Dunkeln. Große Zahnräder sahen aus, als wollten sie jeden unbefugten Eindringling in Wurstscheiben zerschneiden. »Los, zieht sie rein!«, sagte die Alte.
    Die nächtlichen Fackeln und Nebelschwaden wichen bei Tagesanbruch breiten Gewitterwolkenwänden und zuckenden Blitzen. Zwischendurch rissen kurz blaue Flecken am Himmel auf, obwohl eszeitweise so schwere Tropfen regnete, dass sie eher aus Schlamm als aus Wasser zu sein schienen. Schließlich war das Neugeborene da, und die Hebammen krabbelten damit auf allen vieren hinten zum Uhrwagen hinaus. Sie schirmten das Kind vor der überlaufenden Dachrinne ab. »Seht mal, ein Regenbogen!«, sagte die Älteste mit einer kurzen Kopfbewegung. Ein fahler bunter Lichtstreif hing am Firmament.
    Was sie erblickten, als sie die Glückshaube und das Blut von der Haut abrieben, war es nur das täuschende Licht? Nach dem Gewitter nämlich schien das Gras eine viel intensivere Farbe zu haben, und die Rosen leuchteten mit wahnsinniger Pracht auf ihren Stengeln. Und doch waren das Licht und die Atmosphäre nicht verantwortlich für das, was die Hebammen vor sich sahen. Unter der Käseschmiere glänzte das Kleine in einem blassen, doch schockierend smaragdgrünen Ton.
    Kein Schrei ertönte, kein empörtes Neugeborenenplärren. Das Kind machte den Mund auf, atmete und bewahrte ansonsten Stillschweigen. »Na heul schon, du Teufel!«, sagte die Alte. »Das ist deine erste Schuldigkeit.« Das Kleine kam seiner Verpflichtung nicht nach.
    Â»Schon wieder so ein starrsinniger Junge«, seufzte die Fischfrau. »Sollen wir ihn töten?«
    Â»Sei nicht so brutal«, sagte die Alte. »Es ist ein Mädchen.«
    Â»Ha«, sagte die übernächtigte Jungfer, »schau noch mal genau hin, da ist doch der Pumpenschwengel.«
    Eine Weile waren sie uneins, obwohl das Kind nackt vor ihnen lag. Erst nach einem zweiten und dritten Abrubbeln war deutlich, dass es tatsächlich weiblichen Geschlechts war. Vielleicht war ja während der Geburt ein Bröckchen organischer Ausfluss hängengeblieben und rasch angedörrt. Im abgetrockneten Zustand wurde die Kleine für wohlgeformt befunden, mit einem länglichen, feinen Kopf, schön gebildeten Unterarmen, einem drallen kleinen Kneifhintern, niedlichen Fingerchen mit winzigen kratzigen Nägeln.
    Und mit einer unbestreitbar grünen Hautfarbe. Auf Backen und Bauch war ein lachsfarbener Schimmer, ein beiger Anflug um die zugekniffenen Augenlider, auf der Kopfhaut ein bräunlicher Ton, der den künftigen Haarwuchs ahnen ließ. Hauptsächlich jedoch hatte man den Eindruck von etwas Pflanzlichem.
    Â»Seht euch an, was bei unserer Mühe rausgekommen ist«, sagte die Jungfer. »Ein kleiner grüner Klacks Butter. Wollen wir es nicht lieber töten? Ihr wisst doch, was die Leute sagen werden.«
    Â»Ich finde es eklig«, sagte die Fischfrau und sah prüfend nach einem Schwanzansatz, zählte Finger und Zehen. »Es riecht nach Dung.«
    Â»Das ist Dung, was du da riechst, du dumme Gans. Du hockst mitten in einem Kuhfladen.«
    Â»Es ist krank, es ist schwach, daher die Farbe. Schmeißen wir es in den Tümpel, ersäufen wir das Balg. Sie wird nie was erfahren. Sie wird noch stundenlang in ihrer vornehmen Ohnmacht liegen.«
    Sie gickelten. Sie wiegten das Kleine in den Armen, prüften eine nach der anderen Gewicht und Gleichgewichtssinn. Es zu töten war die menschlichste Lösung. Die Frage war, wie.
    Da gähnte das Kind, und die Fischfrau schob ihm automatisch einen Finger zum Nuckeln in den Mund, und das Kind biss den Finger am zweiten Knöchel ab. Es erstickte beinahe am ausströmenden Blut. Das Glied fiel ihm aus dem Mund wie eine Garnrolle. Schlagartig kam Leben in die Frauen. Die Fischfrau machte Miene, die Kleine zu erwürgen, und die Alte und die Junge gingen sofort schützend dazwischen. Der Finger wurde aus dem Schlamm gezogen und in eine Schürzentasche gesteckt, um ihn der Hand, die ihn verloren hatte, möglichst wieder anzunähen. »Es ist ein Pimmel«, kreischte die Jungfer und warf sich lachend auf den Boden. »Sie hat gerade gemerkt,
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