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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz
Autoren: Gregory Maguire
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scher dich raus, ich habe zu arbeiten!«
    Er blieb an der Tür stehen und sagte: »Der Löwe wünscht sich Mut, der Blechmann ein Herz und die Vogelscheuche Verstand. Dorothy will nach Hause. Was wünschst du dir?«
    Â»Ein bisschen Ruhe und Frieden.«
    Â»Nein, im Ernst.«
    Sie konnte nicht Vergebung sagen, nicht zu Liir. Sie setzte an, »einen Soldaten« zu sagen, um sich über seine Schwärmerei für die Männer in Uniform lustig zu machen. Doch als sie den Mund aufmachte, begriff sie, dass es ihn verletzen würde, und sie schluckte es hinunter. Was ihr schließlich über die Lippen kam, überraschte sie beide. Sie sagte: »Eine Seele …«
    Er sah sie stirnrunzelnd an.
    Â»Und du?«, fragte sie mit leiserer Stimme. »Was würdest du dir wünschen, Liir, wenn der Zauberer dir jeden Wunsch erfüllen könnte?«
    Â»Einen Vater«, antwortete er.
    13
    Sie überlegte kurz, ob sie dabei war, wahnsinnig zu werden. In jener Nacht saß sie lange wach und dachte darüber nach, was sie gesagt hatte.
    Ein Mensch, der nicht an den Namenlosen Gott glaubt und an sonst auch nichts, kann nicht an eine Seele glauben.
    Wenn man die Nägel der Religion entfernen könnte, die einen durchbohren und sich bei jeder Bewegung bemerkbar machen, wenn man die Nieten der Religion aus seinem weltanschaulichen und moralischen Gerüst herausziehen könnte, könnte man sich dann überhaupt noch auf den Beinen halten? Oder braucht man die Religion, wie, sagen wir, die Flusspferde im Grasland die giftigen kleinen Parasiten in ihrem Leib brauchen, um harte Fasern verdauen zu können? Die Geschichte der Völker, die jegliche Religion abgeschüttelt haben, liefert keine sonderlich guten Argumente dafür, ohne sie auszukommen. Ist die Religion selbst das notwendige Übel?
    Die Religion war etwas für Nessarose, sie ist etwas für Frex. Vielleicht gibt es in Wirklichkeit keine Stadt in den Wolken, aber davon zu träumen kann den Geist erheben.
    Haben wir etwa mit dem unionistischen Glauben unserer Zeit, derallen frommen Trieben großzügig ein Existenzrecht unter dem Dach des Namenlosen Gottes gewährt, unseren Untergang besiegelt? Vielleicht ist es an der Zeit, den Namenlosen Gott zu benennen, wenn auch schwach und nach unserem eigenen bösen Bild, damit wir wenigstens mit der Illusion einer höheren Macht fortleben können, die sich unser annehmen würde .
    Denn wenn man von dem Namenlosen Gott alles abzieht, was nach einer Eigenschaft aussieht, was behält man dann übrig? Einen großen leeren Wind. Und ein Wind kann Sturmgewalt haben und hat doch keine moralische Gewalt, und eine Stimme in einem Wettersturm ist der Trick eines Marktschreiers.
    Verlockender, erkannte sie jetzt zum ersten Mal, waren die heidnischen Vorstellungen der Alten. Lurlina, die in ihrem Feenwagen unsichtbar durch die Wolken fährt, immer bereit, in diesem oder jenem Jahrtausend herabzustoßen und sich unser zu erinnern. Vom Namenlosen Gott in seiner Anonymität ist niemals ein Überraschungsbesuch zu erwarten.
    Und würden wir den Namenlosen Gott erkennen, wenn er bei uns an die Tür klopfte?
    14
    Es kam vor, dass sie wider Willen einnickte und ihr der Kopf auf die Brust fiel und manchmal sogar auf den Tisch schlug, so dass sie mit schmerzender Stirn hochschreckte und erwachte.
    Sie hatte sich angewöhnt, am Fenster zu stehen und ins Tal hinabzuschauen. Es würde Wochen dauern, bis Dorothy und ihre Schar eintrafen, falls sie nicht längst ermordet und ihre Leichen verbrannt worden waren, wie es mit Sarima geschehen sein musste.
    Eines Abends kam Liir von einem Besuch in der Kaserne zurück. Er war verheult und brachte zunächst kein Wort heraus, und sie versuchte, es zu ignorieren, war aber dann doch zu neugierig. Schließlich redete er. Einer der Soldaten hatte seinen Kameraden vorgeschlagen,wenn Dorothy kam, sollten ihre Freunde getötet und sie selbst gefesselt werden, damit die einsamen dreisten Männer sich mit ihr verlustieren konnten.
    Â»Ach, Männer und ihre Phantasien«, sagte die Hexe, doch sie war beunruhigt.
    Geweint aber hatte Liir deswegen, weil die Kameraden des Soldaten seine Bemerkung ihrem Vorgesetzten gemeldet hatten. Der Soldat war ausgezogen und kastriert und an die Windmühle genagelt worden. Sein Körper ging mit dem Flügel im Kreis herum, während die Geier kamen und an seinen Eingeweiden
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