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White Horse

White Horse

Titel: White Horse
Autoren: Alex Adams
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Weggefährten
verloren habe. »Nein, keine.«

ZWEI
    ZEIT: DAMALS
    Dr. Rose öffnet ein Fenster. Sonne und frische Luft
strömen herein, als hätten sie es eilig, genau diesen Raum zu füllen. Er ist
ihr Ziel, ihr Traumziel.
    Ich halte mein Gesicht mit einem Lächeln in das Licht. »Das könnte
ein Symbol sein.«
    Â»Wofür?«
    Â»Für das, was Sie hier machen.«
    Er lächelt ebenfalls. »Höre ich Optimismus? Das ist ein Schritt in
die richtige Richtung. Viele Menschen, die zu mir kommen, haben eine negative
Einstellung zur Therapie – betrachten sie als Schandfleck in ihrem Leben.«
    Â»Schon vergessen? Ich bin freiwillig hergekommen.«
    Er steht auf, geht hinaus in den Empfangsraum. »Möchten Sie etwas
trinken?«
    Â»Ist das eine Fangfrage?«
    Â»Ja. Ich beurteile Ihre Persönlichkeit anhand des Getränks, das Sie
wählen. Treffen Sie also eine kluge Entscheidung!«
    Wieder entlockt er mir ein Lächeln. So hatte ich mir die Sache nicht
vorgestellt. Ich dachte, ich würde auf eine angestaubte Seele in einer
nüchternen Umgebung treffen.
    Â»Kaffee. Mit Milch und zwei Stück Zucker.«
    Â»Zwei?«
    Â»Okay, drei.«
    Â»Das klingt schon besser.« Er kommt mit zwei gleichen Bechern zurück
und reicht mir einen davon. Der Kaffee ist heiß, süß und mild. Ich blase und
trinke einen Schluck, immer abwechselnd, bis ich das erste Drittel geschafft
habe.
    Â»Was sagt das über mich aus?«
    Er nimmt einen langen Zug. Schlürft dabei ein wenig, ohne sich zu
entschuldigen. Dann vertauscht er den Becher mit Stift und Notizblock. »Sie
stellen gern Fragen.«
    Â»Lesen Sie das aus dem Kaffeesatz?«
    Der Stift gleitet über das Papier. »Nein, das entnehme ich Ihren Fragen.«
    Ich lache. »Wer nicht fragt, erfährt nichts.«
    Er lächelt auf seinen Block herunter. »Warum erzählen Sie mir nicht,
weshalb Sie mich angerufen haben?«
    Â»Wissen Sie das nicht?«
    Â»Ich bin Therapeut, kein Hellseher.«
    Â»Das würde Ihnen die Arbeit erleichtern, oder?«
    Â»Es würde mir Angst einjagen.«
    Ich trinke noch ein paar Schlucke. »Ich bin nicht verrückt.«
    Â»Das kann man von zwei Seiten sehen. Entweder es ist keiner
verrückt, oder es ist jeder auf seine Art verrückt. Ein berühmter griechischer
Philosoph hat das so ausgedrückt: ›Der Mensch muss ein bisschen verrückt sein,
sonst wagt er es nie, das Seil zu kappen und frei zu sein‹.«
    Â»Sokrates?«
    Â»Zorbas.«
    Wieder ein Schmunzeln. »Ich weiß nicht, Doktor, womöglich sind Sie
verrückter als ich.«
    Â»Manchmal führe ich Selbstgespräche«, gesteht er. »Und dann antworte
ich mir sogar.«
    Â»Einzelkind?«
    Â»Der ältere von zwei Brüdern.«
    Â»Ich habe eine jüngere Schwester. Sie spielte immer mit erfundenen
Freunden. Und ich malte einer meiner Barbie-Puppen einen Schnurrbart und
Brusthaare, weil meine Eltern sich weigerten, mir einen Ken zu kaufen.«
    Â»Machen Sie das immer noch?«
    Â»Nur wenn sich herausstellt, dass mein Blind Date eine Frau ist.«
    Das Grübchen in seiner Wange zuckt. Meine ich das ernst, oder gehöre
ich zu den ewigen Clowns, die ihren Schmerz hinter allerlei Faxen verbergen?
Brauche ich dringend eine Analyse? Liefere ich ihm Stoff für eine großartige Forschungsarbeit,
irgendwo angesiedelt zwischen Zwangsverhalten und multipler Persönlichkeitsstörung?
    Â»In einem derart hartnäckigen Fall halte ich eine Therapie für
angeraten«, entscheidet er. »Warum erzählen Sie mir nicht, was Sie zu mir
führt?«
    Ich lehne mich zurück. Nehme einen kleinen Schluck Kaffee. Lege mir
noch einmal meine Lüge zurecht.
    Â»Ich träume in letzter Zeit immer von einem Gefäß. Kein Marmeladenglas
oder so. Es wirkt alt. Seine Farbe erinnert an Crème brulée.«
    Â»Weckt dieser Traum irgendwelche Gefühle in Ihnen?«
    Â»Ja«, sage ich. »Angst …«

    Â»Es ist alt«, bestätigt mir James Witte. Ein Rattenschwanz von Titeln
hängt an seinem Namen – ein Beweis dafür, dass er viel Zeit damit verbracht
hat, seine Nase in kluge Bücher zu stecken und seinen Geist in die
Vergangenheit schweifen zu lassen. Er arbeitet als stellvertretender
Konservator am Nationalmuseum. Ein alter Freund von mir, obwohl er immer noch
aussieht wie an unserem letzten Highschool-Tag:
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