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White Horse

White Horse

Titel: White Horse
Autoren: Alex Adams
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schmächtig, schmalschultrig und
bleich. Seine Augen leuchten, während sie das Gefäß umkreisen.
    Â»Richtig alt.«
    Â»Ist das ein Fachausdruck?«
    Er lacht. Und einen Moment lang habe ich das Bild vor Augen, wie sie
ihn bei der Abschluss-Party mit einem Bier-Trichter abfüllten. »Ja, das ist ein
Fachausdruck. Übersetzung: Ich weiß nicht genau, wie alt das Ding ist, aber es
geht in Richtung verdammt alt.«
    Â»Wow. Das ist ja uralt.«
    Â»Wenn ich schätzen müsste, würde ich es in die Antike einordnen.
Griechenland. Vielleicht Rom. Die Krümmung der Henkel, ihr fließender Übergang
in den nach unten verjüngten Körper … Allerdings weist das Gefäß keine Ornamente
auf. Das ist ungewöhnlich. Die symmetrische Form lässt auf eine Töpferscheibe
schließen. Und alles, was gedreht wurde, war irgendwie verziert – gebändert, geritzt
oder bemalt.«
    Ein weicher Schatten streift das Fenster. Der Kater meines Nachbarn.
Ben braucht Stiffy, denn er ist in seinem Herzen immer ein Kind geblieben. Noch
bevor ich die Scheibe richtig hochgeschoben habe, zwängt sich das Biest ins
Zimmer.
    Â»Kann ich das Gefäß mitnehmen?«, fragt James. »Du kriegst es zurück.
Aber bei uns lässt sich leichter bestimmen, aus welcher Zeit und Region es
stammt. Und ich kann im Zweifelsfall die Meinung von Kollegen einholen. Unser
neuer Assistent ist ein wahres Genie, wenn es ums Zuordnen von Scherben geht.
Die anderen Assistenten nennen ihn Rain Man.«
    Ich würde James mein Leben anvertrauen. Wir sind seit der zehnten
Klasse befreundet, als er von Phoenix in unsere Gegend zog. Er ist zuverlässig.
Loyal. Grundanständig. Also erzähle ich ihm, was ich Dr. Rose nicht erzählen
kann. Dass jemand heimlich in mein Apartment eingedrungen ist. Dass mich der
Gedanke nicht ruhen lässt. Die Suche nach der Antwort, wie und warum das
geschehen konnte. Nur das mit der Angst behalte ich für mich. Weil es so banal
erscheint. So abgedroschen.
    Er hört aufmerksam zu. Wie es seine Art ist. Hin und wieder wirft er
eine Frage ein, und ich beantworte sie, so gut ich kann.
    Â»Warum wirfst du das Ding nicht auf den Boden?«
    Â»Weil es nicht mir gehört.«
    Die Schlösser an der Tür geben sich total unschuldig. An uns liegt es wirklich nicht. Das Sicherheitssystem hat dich im
Stich gelassen. Das Eingabefeld blinkt stumm. Ein Roboter, der auf Anweisungen
von seiner Zentrale in einem Gebäude der Innenstadt wartet.
    Â»Warum bringst du es nicht in den Müllcontainer?«
    Â»Weil es nicht mir gehört.«
    Â»Ãœberlass es mir.« Er lacht. »Ich liebe düstere Geheimnisse. Im
schlimmsten Fall schalte ich Rain Man ein und locke ihn mit der Aussicht auf
ein Date hierher.«
    Stiffy umschmeichelt mich in engen Achterkurven, reibt sich das Fell
an meinen Schienbeinen und schnurrt dazu so intensiv, dass ich die Vibrationen
bis zu den Knien spüre.
    Â»Aha. Sieht er gut aus?«
    Â»Ein Supertyp. Und alles andere als auf den Kopf gefallen.«
    Â»Dann bring ihn einfach mit. Ich mache uns Lasagne.«
    Der Kater löst sich von meinen Beinen und schlendert zum Gefäß
hinüber. Er umkreist es zweimal und setzt sich dann mit einem halben Meter
Abstand davor, den Schwanz wie einen Schutzring ordentlich um seine Pfoten
gerollt. Fasziniert, ja fast zwanghaft, starrt er den Fremdkörper in meinem
Zimmer an.
    Â»Neugier ist der Katze Tod«, sagt James.
    ZEIT: JETZT
    Am zweiten Morgen nach unserem Aufbruch von dem Gehöft
muss sich Lisa übergeben. Trübes Licht sickert durch das dichte Laubdach, das
uns gegen den Himmel und die Straße abschirmt. Hier unter den Bäumen ist es
beinahe trocken. Nur ab und zu erwischen uns ein paar kalte Tropfen, die von
den Blättern fallen.
    Ausnahmsweise behalte ich mein Essen bei mir. Die kalten Bohnen, die
ich aus einer Dose mit schartigem Rand gelöffelt habe, liegen mir als schwerer,
aber zumindest nahrhafter Klumpen im Magen.
    Etwa zwei Meilen vor uns befindet sich ein Dorf. Ein schwarzer Punkt
auf der Karte, namenlos, aber nicht ausgelöscht. Wir sollten einen Bogen um den
Ort machen, jeden Kontakt zu den Bewohnern meiden. Falls es noch Bewohner gibt.
Ich halte Lisa die Haare aus dem Gesicht, während sie weit vorgebeugt ihre
Bohnen hervorwürgt. Die Arme. Obwohl ich Gefahr laufe, mich anzustecken, werfe
ich einen Blick auf das Zeug, das sie von sich gegeben
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