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White Horse

White Horse

Titel: White Horse
Autoren: Alex Adams
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hat. Kein Blut. Bis
jetzt jedenfalls nicht.
    Vitamine. Vielleicht gibt es in dem Dorf noch Vitamine. Die könnten
wir beide gut gebrauchen.
    Â»Es tut mir so leid.«
    Das Erbrochene spritzt umher.
    Â»Das muss es nicht. Du kannst nichts dafür.«
    Ihre schmalen Schultern zucken. »Glaubst du, White Horse hat mich
erwischt?«
    White Horse. Die Seuche, die einen Großteil der Weltbevölkerung
ausgelöscht hat. Bei ihrem Ausbruch vernahm irgendein Prediger aus dem Süden
mit einer viel zu großen Klappe, aber einer populären Show im Kabelfernsehen,
die Stimme des Herrn, die ihm das Nahen der Endzeit verkündete. Die Sterbenden
sahen diesem Unsinn zu, weil sie nichts Besseres mehr zu tun hatten. Das
normale Fernsehprogramm war eingestellt; aus den Sendern drang nur noch
statisches Rauschen.
    Dieser Prediger gab dem Virus erstmals einen Namen. Das Weiße Pferd.
    Â»Das erste der sieben Siegel ward aufgetan, und
hervor trat das Weiße Pferd mit seinem todbringenden Reiter, um uns mit der
Seuche Satans auf die Probe zu stellen. Wer unter euch Männern, Weibern und
Kindern nicht an unseren Herrn und Retter Jesus Christus glaubt, wird durch das
Weiße Pferd sterben. Von Maden zerfressen, werden eure Seelen im Höllenpfuhl
schmoren. Vor Schmerzen werdet ihr euch winden und wehklagen, weil ihr zu
Lebzeiten nicht den Mut fandet, Zeugnis abzulegen für unseren Erlöser. Dies ist
das Weiße Pferd, und drei weitere werden folgen …«
    Alle glaubten zunächst, dass es sich um eine Art Grippe-Epidemie
handelte, die uns lediglich vom höchsten Ast des Evolutionsbaumes auf einen
niedrigeren stoßen würde. Aber dem war nicht so. White Horse ließ sich mit
keiner bekannten Krankheit aus den Medizinbüchern vergleichen, außer vielleicht
mit Krebs im Endstadium. Dem CDC und der WHO blieb kaum Zeit, etwas zu unternehmen, als die Leute
mit Proben von Erbrochenem zu ihren Ärzten liefen und um ein wirksames
Medikament gegen die übermächtige Übelkeit baten. Der Auswurf vermischte sich
mit Blut, als sich die Schutzzellen ablösten, die dafür sorgen sollten, dass
die Magensäure keine Löcher in die Magenwand brannte. Nach ein paar Tagen ließ
der Brechreiz nach, wurde jedoch durch unberechenbare Schmerzen ersetzt, die
mitunter sehr heftig ausfielen.
    Dann meldete sich ein Wissenschaftler zu Wort, der Unglaubliches
herausgefunden hatte.
    Â»White Horse ist im Grunde keine Krankheit, sondern eine Mutation.
Eine Quelle von außen hat einige Schalter in unserer DNA umgelegt, sodass
bestimmte Gene aktiviert und andere stillgelegt wurden.« Er kämpfte sichtlich damit,
seine Worte so zu wählen, dass auch Laien die Erklärung verstanden. Ein
ratloses Gemurmel hob an, als er schwieg und den Medien Gelegenheit gab, ihre
Fragen zu stellen. Aufklärung, aber keine Erklärung.
    Hat Lisa sich also mit White Horse angesteckt? Ich konnte lügen und
Nein sagen, oder ich konnte lügen und Ja sagen. Also wähle ich den feigen
Mittelweg. Die Wahrheit.
    Â»Ich weiß es nicht.«
    Schaumige Gallenflüssigkeit bedeckt ihre Lippen. »Ich will nicht
sterben.«
    Ich reiche ihr ein Papiertaschentuch, damit sie sich den Mund
abwischen kann.
    Â»Früher oder später müssen wir alle sterben.«
    Â»Später wäre mir lieber.«
    Â»Wir sollten eine Liste machen.«
    Â»Was für eine Liste?«
    Â»Eine Aufstellung aller Dinge, die wir noch erledigen möchten, bevor
wir den Löffel im reifen Alter von hundert plus abgeben. Fallschirmspringen
beispielsweise. Oder einen Wasserfall hinunterschwimmen.«
    Â»Und was soll das bringen?«
    Das Absurde unserer Situation lässt mir heiße Tränen in die Augen
schießen. Zwei Frauen, die allein am Ende der Welt stehen und sich darüber
unterhalten, was sie tun wollen, bevor sie sterben. Dabei können wir froh sein,
wenn wir eine letzte warme Mahlzeit kriegen.
    Â»Spaß«, entgegne ich. »Da vorne ist ein Dorf. Vielleicht sollten wir
das mal unsicher machen. Was hältst du davon?«
    Â»Wie würdest du entscheiden, wenn du allein wärst?«
    Â»Ich würde einen großen Bogen um das Dorf machen.«
    Â»Weshalb tun wir das dann nicht?«
    Â»Weil wir Medikamente brauchen.«
    Â»Denkst du, dass ich bald sterben muss?«
    Ich schüttle den Kopf. Der Regen nimmt meine Tränen mit.
    Â»Ich will heiraten und eine Familie gründen«, sagt sie.
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