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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition)
Autoren: Sandy Kien
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Mädchen leicht den Kopf und der Blick auf ihr Antlitz wurde frei. Eine Narbe zog sich quer über ihre Stirn, machte eine Zacke nach unten und verlief über ihre Augenbraue, wo sie plötzlich aufhörte. Ihre linke Wange war von mehreren Narben übersät, an denen man erkennen konnte, wie sehr sich die Ärzte bemüht hatten, ihr Gesicht wiederherzustellen. Eine Weitere verlief über ihre Nase, und noch eine von Unterlippenansatz, über ihr Kinn, Richtung Hals. Rechts konnte man eine lange Narbe direkt am Haaransatz erkennen. Man erschrak automatisch, wenn man sie das erste Mal sah, und benötigte schon einiges an Beherrschung, sich beim zweiten Blick an das zu gewöhnen, was einem entgegenknallte. Jasmins Augen strahlten auch jetzt bei dem grellen Licht der Strahler, die man eingeschaltet hatte, in einem ganz eigenen Glanz. Es war, als würde eine Glühbirne direkt in jeder Pupille leuchten. Ihre Wimpern waren lang, die Augenbrauen schlank geformt, wenn da die Narbe nicht gewesen wäre. Ihre Haarpracht konnte das gar nicht kaschieren, was sie im Gesicht mit sich trug. Sie musste ein sehr hübsches Mädchen gewesen sein, und die Form ihrer Augen hätte es geschafft, jeden mit nur einem einzigen Augenaufschlag schachmatt zu setzen. Wusste dieses Mädchen überhaupt, zu was ihr Blick fähig war, wenn sie ihm nur einen Inch warmes Leben eingehaucht hätte? Ja, sie strahlten. Aber in einer Nuance, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es war eisige Kälte, die einem entgegenleuchtete, untermauert mit dem, was ihr Antlitz zu bieten hatte. Eine erschreckende Kombination. Nach einigen Augenblicken senkte das Mädchen den Kopf wieder. Bittere Enttäuschung war aus ihrer Miene zu lesen, gepaart mit Verzweiflung und Angst.
    Stefan sah abermals zu Kinsky auf. Er schien für den Moment ebenso ratlos. Noch nie hatten sie ein Kind, nein, ein junges Mädchen auf der Ranch aufgenommen, welches eisern schwieg und zudem so herb abgelehnt wurde.
    „In meiner Hütte habe ich ein Zimmer frei“, meinte Stefan an Kinsky gerichtet. „Wenn sie will, kann sie dort bleiben“, wieder blickte er auf das Mädchen, „nur das Bad müssen wir uns teilen.“
    Jonathan Kinsky blickte zwischen Stefan und Jasmin hin und her. Würde eine Reaktion von ihr kommen? War es gut, das Mädchen bei Stefan zu lassen? Es war jedenfalls besser, als sie zu zwingen, bei den Mädchen zu bleiben. Es hätte in bitterem Streit geendet, dem Jasmin nichts entgegenzusetzen hatte. Viel Auswahl hatten sie nicht.
    „Bring ihren Koffer in dein Gästezimmer, Stefan, und dann treffen wir uns zum Abendessen.“ Damit dreht sich Kinsky erst mal um und verschwand Richtung Haus. Stefan blickte ihm hinterher, zog kurz die Stirn in Falten und atmete durch. Er kannte Kinsky vielleicht nicht ewig, aber schon eine ganze Weile. Der brauchte jetzt ein wenig Zeit. Nein, nicht um sich von dem zu erholen, was er gesehen hatte, sondern Zeit, um die Situation zu überdenken und sich einen Plan zurechtzulegen, wie er in den nächsten Tagen mit den Kids agieren wollte. Es würde nicht leicht werden, das war sicher. Fünf gegen einen, zwei denkbar ungleiche Seiten, und Jasmin würde nicht die Kraft haben, sich gegen die geballte Ladung an Respektlosigkeit zu stellen, die ihr entgegenschlagen würde. Unschöne Szenen waren vorprogrammiert und Kinsky wollte gewappnet sein. Die nächsten drei Wochen würden selbst für ihn, ein alter Hase auf dem Gebiet, doch neu werden.
    Kurz erinnerte sich Stefan an seine eigene Zeit. Er war rebellisch und streitsüchtig gewesen, hatte geglaubt, besser zu sein, als er eigentlich war, hatte sich nie etwas sagen lassen und auch davor nicht zurückgeschreckt, seine Fäuste sprechen zu lassen, um seine Meinung zu untermauern. Mehrmals war er mit Jonathan Kinsky aneinandergeraten, hatte ihn herausgefordert, und war jedes Mal wie ein begossener Pudel stehengelassen worden. Kinsky hatte sich nie provozieren lassen, ihn aber mehr als nur einmal daran gehindert, seine Fäuste zu platzieren, und das mit einer Kraft, die ihm niemand zugetraut hätte. In diesen Phasen hatte Kinsky dafür gesorgt, dass es ihm möglich gewesen war, sich woanders auszutoben. Das erste Lob … Stefan hatte sich an einem meterhohen Berg Holz vergangen und Rundlinge in kleine Stücke gehackt, bis ihm das Blut von den Händen gelaufen war. Dafür hatte er es bekommen. Anerkennung und Lob, und dabei war etwas mit ihm passiert. Er konnte sich noch sehr gut daran erinnern, obwohl es fünf
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