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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Kann ich dir helfen?«
    »Es ist schon alles getan. Setz dich an einen Tisch und laß dir ein Glas Johannisbeerwein bringen.«
    Kiwrin, der die Begegnung mit Herzklopfen verfolgt hatte, stürzte auf Erna zu.
    »Wann wird er landen?«
    »Wenn alles glattgeht, in einer Stunde.«
    Vom Wirtshaus her marschierte die Musikkapelle heran. Sie spielte einen zackigen Marsch, der in die Beine ging. Im Gleichschritt marschierten die Bläser durch das Dorf. Ihnen folgte der Schützenverein in grünen Uniformen, geführt vom Kommandeur, der einen Federbusch auf dem breitkrempigen Hut trug. Die von den Frauen gestickte und gestiftete Fahne wehte leicht im Wind.
    »Wenn die Deutschen marschieren, wackelt die Erde«, sagte die Beljakowa zu Kiwrin und wippte im Takt der Musik auf den Zehen. »So wollten sie auch durch Rußland marschieren, aber das ist ihnen schlecht bekommen. Müssen die Deutschen eigentlich immer marschieren?«
    »Es gehört angeblich zu ihnen.« Kiwrin hob die Schultern. »Jedes Volk hat doch seine Eigenheiten – wir haben den Wodka.«
    Und dann war es soweit: Zuerst hörte man das Knattern, dann erschien am wolkenlosen Himmel wie ein dunkler Punkt der Hubschrauber, wurde größer und größer und dröhnte über Nowo Grodnow hinweg. Er umkreiste die Kirche, machte einen Höllenlärm, und in der Sonne glänzte der rote Stern auf der olivgrünen Verkleidung auf.
    Der große Hubschrauber landete auf der Wiese vor Weberowskys Haus. Der Wind, den die Rotorblätter erzeugten, blies dem Schützenkommandanten den Federhut vom Kopf. Staub wirbelte auf und hüllte die Blaskapelle ein. Der Kapellmeister hob den Taktstock.
    Die Bläser blähten die Backen. Am Hubschrauber öffnete sich eine Tür, eine Treppe wurde heruntergeklappt.
    Hermann und Gottlieb standen links und rechts von ihrer Mutter und hatten sie untergefaßt. Eva stand hinter ihnen, neben sich Iwetta Petrowna, die ihre Hand hielt.
    »Ganz ruhig, Mama«, sagte Hermann und drückte ihren Arm. »Ganz ruhig.«
    »Ich bin ruhig! Nur ihr benehmt euch wie kleine Kinder! Ich weiß, was ich zu tun habe.«
    Zuerst stieg Frantzenow aus dem Hubschrauber und wurde mit Applaus begrüßt. Die Schützen standen in Zweierreihe; laute Kommandos ertönten, sie standen stramm und präsentierten die Gewehre.
    Zwei Soldaten hoben jetzt die zugedeckte Trage aus dem Hubschrauber, ihnen folgten der Militärarzt und ein Sanitäter. Man hatte Weberowsky auf der Bahre festgeschnallt, damit er nicht beim Ausladen herunterrollte. Vorsichtig wurde er auf den Boden gelassen, Frantzenow sprach mit ihm, und dann stützte er seinen Kopf auf, damit er alles übersehen konnte.
    Der Schützenkommandant trat vor seine Truppe und grüßte durch Handanlegen an den Federhut. Der Marsch des alten Dessauer dröhnte über den Platz.
    »Das gibt es doch nicht«, stammelte Weberowsky. Er tastete nach Frantzenows Hand. Ein Zucken lief über sein Gesicht.
    Der Marsch brach ab, die Schützen präsentierten noch immer, Frantzenow trat einen Schritt zurück und Erna kam zu ihnen.
    Sie zögerte nur einen Augenblick, dann beugte sie sich hinab, umfaßte Weberowskys Kopf mit beiden Händen und küßte ihn auf die Lippen.
    »Willkommen zu Hause, Wolferl«, sagte sie, und ihre Stimme schwankte nicht, wie sie befürchtet hatte. »Ich bin so glücklich, daß du wieder da bist.«
    Und er sah sie mit strahlenden Augen an, hob mühsam den Handrücken, und sie schob ihre Hand zwischen seine Finger und drückte sie und preßte ihr Gesicht darauf. »Ihr seid verrückt geworden«, sagte er leise und spürte, wie die Tränen über seine Wangen liefen. »Was das alles kostet.«
    »Wir feiern deine zweite Geburt, Wolferl, das ist es wert.« Er nickte, und sie wischte ihm die Tränen aus dem Gesicht und küßte ihn auf die zuckenden Augen.
    »Das stimmt, Erna. Ich bin wieder ein Säugling und werde es für immer bleiben. Daran muß ich mich erst gewöhnen.«
    »Wir alle helfen dir dabei, Wolferl.«
    Der Kapellmeister hob wieder den Taktstock, der Schützenkommandant brüllte, und die Blasmusik trompetete los.
    Die Soldaten hoben die Trage wieder an. Weberowsky sah die Girlanden, das Schild, seine Kinder, Kiwrin mit seinen Orden auf der Brust, und die Beljakowa. Er konnte nicht glauben, was er da sah: Die Beljakowa war die einzige, die haltlos weinte, während sie sich an den konsternierten Kiwrin lehnte.
    »Ist das wirklich …«, fragte Weberowsky und brach ab, weil seine Stimme zu zittern begann.
    »Ja, sie ist es,
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