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Werwolfkind (German Edition)

Werwolfkind (German Edition)

Titel: Werwolfkind (German Edition)
Autoren: Earl Warren
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Ricardo.
    »Was hat es mit seinen Worten auf sich? Habe ich etwas zu befürchten wegen dir und Marco?«
    Ricardo schüttelte nur den Kopf. Er schwieg.
    Die letzten Stunden vor dem Mondaufgang verstrichen. Ricardo war unruhig, er rührte beim frühen Abendessen mit Professor Cascia keinen Bissen an. Dann entschuldigte er sich und zog sich zurück.
    »Mir ist übel. Ich spüre den aufsteigenden Mond. Ich werde mich im Söller einkerkern lassen, bis die Nacht vorbei ist. Benito soll nicht Recht behalten.«
    Cascia schaute ihn unter gesenkten Lidern an. Auch er schien sich in seiner Haut nicht recht wohl zu fühlen. Er hatte weniger gegessen und getrunken als sonst, was immer noch eine Menge war.
    »Was ist mit Marco?«, fragte Francesca.
    Angst griff ihr ans Herz, ein Unbehagen, das sie sich nicht erklären konnte. Ihr Instinkt warnte sie.
    Fahrig winkte Ricardo ab.
    »Pass du auf ihn auf. Er ist noch zu klein. Er kann kein Unheil anrichten.«
    Er ging zu Francesca, zögerte einen Augenblick und küsste sie dann auf den Mund.
    »Leb wohl, falls wir uns nicht wiedersehen – vor morgen früh, meine ich. Schlafe gut, meine Liebe. Mögen die Engel deinen Schlaf bewachen.«
    So zu sprechen war ganz untypisch für ihn. Als er das Zimmer verlassen hatte, schaute Francesca nach Marco. Er stand in seinem Gitterbett und krähte fröhlich, als sie eintrat. Er hatte einen Teddybären in seinem Bettchen, der fast größer war als er selbst, und schwang eine Rundrassel.
    »Ma«, rief er. »Ma.«
    Bei seinem Anblick ging Francesca das Herz auf. Sie konnte es sich in dem Moment nicht vorstellen, dass Marco, dieses fröhliche Kind, einmal ein Werwolf sein sollte. Ein Werwolfkind, das wenn es in schlechter Gesellschaft aufwuchs schon als Kleinkind blutige Wege ging. Sie hob Marco aus seinem Bett, herzte und küsste ihn ihn, gab ihm sein Fläschchen und fütterte ihn und machte ihn fertig für die Nacht.
    Sein Po wurde geputzt, und er wurde eingecremt und bekam eine neue Windel. Gebadet worden war er am Nachmittag und hatte in der Wanne gespielt und mit seinen Entlein geplanscht.
    Jetzt sank die Nacht herein. Der runde Mond glänzte bleich am Himmel. Sterne erschienen am Firmament und funkelten. Der Wald unterm Schloss stand stumm und dunkel. Schweigen herrschte in der Natur. Zwei Kilometer entfernt sah man die Lichter der Häuser und die der kargen Straßenbeleuchtung des Dorfes von San Clemente.
    Francesca, im langen Kleid, ein Kreuz um den Hals, ging zum Söller, in dem sich Ricardo eingeschlossen hatte. Hatte einschließen lassen. Die alte Filomena hatte ihn eingesperrt. Sie und Francesca hatten je einen Schlüssel für die Kammer mit den massiven Gittern vorm Fenster, zu stark, als dass Ricardo sie hätte herausbrechen können.
    Vor zwei Jahren war ihm ein solcher Kraftakt einmal gelungen. Doch jetzt waren es noch stärkere, zudem mit einer Silberlösung gestrichene Gitterstäbe. Die Tür bestand aus massivem Stahl und wies mehrere Riegel auf, die in die Wand hineingingen. Hier konnte der Werwolf nicht ausbrechen.
    Francesca klopfte. Sie erhielt keine Antwort.
    Als sie wieder klopfte, hörte sie dumpf Ricardos Stimme durch die Tür dringen: »Lass mich in Ruhe.«
    Es klang unwirsch. Francesca führte es auf seine Schmerzen durch die einsetzende Metamorphose zurück, gegen die er ankämpfte. Etwas beleidigt, sie hätte sich mehr Freundlichkeit erhofft, ging sie in ihre Gemächer zurück. Dann suchte sie noch einmal Professor Cascia auf.
    Sie fand ihn in seinem Arbeitszimmer, dem Raum, der ihm dafür eingerichtet worden war. Von Zigarrenrauch eingehüllt und in seine Arbeit vertieft. Francesca hustete. Sie ging ans Fenster und öffnete es.
    »Wie können Sie diesen Qualm und Gestank nur aushalten, Professor?«
    »Wie meinen? Lassen Sie mir doch mein Laster. Es ist besser ein Raucher zu sein als ein Werwolf.« Der Scherz kam bei Francesca nicht an. »Was kann ich für Sie tun, meine Liebe?«
    »Ricardo leidet.«
    »Ja, ja. Das hat die Metamorphose so an sich, wenn ein Lykanthrop sich ihr nicht ergibt.«
    »Gibt es denn keine Möglichkeit? Wissen Sie keinen Ausweg? Sie studieren und lesen jetzt wochenlang, arbeiten, empfangen Faxe, telefonieren.«
    »Das braucht seine Zeit. Leider. Das kann man nicht übers Knie brechen. Vielleicht habe ich einen Ausweg gefunden. Aber… darüber kann ich Ihnen erst morgen Genaueres sagen.«
    »Warum?«
    Professor Cascia stand auf und legte Francesca die Hand auf den Oberarm.
    »Mi dispiace, mia cara
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