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Werwelt 03 - Der Nachkomme

Werwelt 03 - Der Nachkomme

Titel: Werwelt 03 - Der Nachkomme
Autoren: Robert Stallman
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ihnen helfen.
    Er glaubte, die letzte Kraftanstrengung nicht mehr scha f fen zu können. Seine Arme und Beine zitterten jetzt so he f tig, daß er fürchtete, sie würden jeden Moment den Dienst versagen. Die Wand stieg an dieser Stelle beinahe sen k recht in die Höhe.
    »Er kann nicht«, stieß Johnny mit schwacher Stimme hervor. »Geht ihm schlecht.«
    »Dann schaffen wir ’ s eben allein«, sagte Barry, übe r rascht über den lauten Klang seiner Stimme. »Also, los.«
    »Bei mir ist Schluß«, keuchte Johnny, und plötzlich fiel sein ganzes Gewicht auf Barry herunter, drückte ihn nach außen, drohte, seine Hände aus ihrer Verankerung im Fel s vorsprung zu reißen.
    »Johnny?« Barrys Stimme war schrill vor Schrecken.
    Er spürte, wie seine Hände sich lösten, wußte, daß sein Freund ohnmächtig geworden war. Er versuchte, anders zuzufassen, fand den Stein nicht wieder. Seine rechte Hand fiel vom Fels weg, wedelte Zentimeter vom Sims entfernt durch die Luft. Sein Körper begann zu schwingen, sein rechter Fuß rutschte vom Vorsprung. Der Körper des and e ren Mannes drängte schwer gegen seine Beine. Panik übe r flutete Barry, als er versuchte, sich zurückzudrehen, und als seine Hand, jetzt noch weiter vom Sims entfernt, in die Luft griff. Das ganze Gewicht des bewußtlosen Mannes sackte plötzlich gegen sein linkes Bein, so daß sein linker Fuß aus der Verankerung im Fels gerissen wurde. Ein u n terdrückter Schrei kam ihm über die Lippen, als er stürzte, seine Finger den rauhen Sandstein hinunterglitten.
    Ich verwandle mich.
    Krallen sind besser als abgebrochene Fingernägel, aber sie können erst zupacken, als sie auf ein Felssims etwa fünfzehn Meter tiefer treffen. Der Körper des Indianers ist immer noch auf meinen Schultern. Ich halte ihn zwischen mir und der Wand eingeklemmt. Wenn ich ihn fallen ließe, könnte ich es schaffen, das weiß ich. Ich könnte mich vie l leicht sogar in einen Vogel verwandeln und einfach d a vonfliegen. Zum ersten Mal, so weit ich mich zurückeri n nern kann, bin ich sicher, daß der Tod möglich ist. Aber ich werde den Mann nicht abstürzen lassen. Ein Fuß, die Kra l len ausgestreckt, ruht fest auf einem winzigen Sims. Ich taste mit dem anderen, um Halt zu finden. Mir schießt der G e danke durch den Kopf, mit meinen Krallen Löcher in den Fels zu schlagen, meine Zähne in den Stein zu bohren. Mein Geist rast in tollen Wirbeln angesichts der drohenden Vernichtung. Ich zwinge die Angst weg, zwinge meinen Geist, sich zu beruhigen, meine Muskeln, sich zu en t krampfen. Die Ruhe ist besser. Ein Fuß steht sicher. Ich kann diesen Menschen mit einem Arm halten. Denk jetzt nicht an die Beobachter in der Tiefe!
    Jetzt ist Ruhe eingekehrt. Die Angst ist ausgelöscht. Mit allen Sinnen suche ich den Fels rundum nach Löchern, Spalten, Vorsprüngen ab, nach den winzigen Zehenlöchern, die die Indianer vor Hunderten, vielleicht vor Tausenden von Jahren in den Stein geschlagen haben. Ich finde sie, nehme sie als glühende Punkte und Risse wahr. Ich fühle mich jetzt sicherer, während ich mich erhebe, mit mir den Bewußtlosen, dessen Blut noch immer aus dem verletzten Bein rinnt. Ich werde diese Probe bestehen, sage ich mir, und schiebe mich aufwärts, um den nächsten Schritt zu wagen, und dann den nächsten und wieder einen.
    Die Lippe der Höhle ist vor mir. Ich werfe einen Arm hinüber und grabe die Klauen in den staubigen Steinboden. Mit dem anderen Arm ziehe ich den Indianer von meiner Schulter und schiebe ihn in die Höhle. In der nächsten S e kunde bin ich selbst in der Höhle.
    Sie ist nicht tief, staubig, mit einer niedrigen Decke, die gewölbt nach hinten abfällt. Gebeine und Totenschädel liegen im Hintergrund. Albert Chee liegt zusammenge k rümmt an der Wand. Seine Augen sind geschlossen, seine Atemzüge flach. Ich beschnüffle die Wunde im Bein des jungen Indianers. Sie ist tief. Muskeln und Knochen sind zu sehen, während unaufhörlich das Blut fließt. Wenn es nicht zum Versiegen gebracht werden kann, wird er in ku r zer Zeit sterben. Ich brauche Hilfe.
    Und da öffnet sich die Tür in meinem Inneren. Die Tür, von der ich nicht einmal gewußt habe, daß sie da ist. Ich bin wie ein Kind, das einen Garten betritt – oder vielleicht aus einem engen Käfig heraustritt. Die Welt weitet sich.
    Unglaublich.
    Wenn der Blinde das erste Mal sieht, der Taube hört, der Lahme aufspringt und über eine Wiese läuft, der Vogel seine Schwingen entdeckt – all diese
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