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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen?
Autoren: Evelyn Sanders
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verrückt!«
    »Das bist du schon. Wahrscheinlich liegt es nur daran, daß deine reguläre Fütterungszeit längst überschritten ist.
    Ich schäle schon mal den Spargel.«
    »Untersteh dich!« schrie sie entsetzt. »Du kannst doch jetzt kein Messer anfassen!«
    Gegessen haben wir dann nachts um halb elf, als sich das Gewitter doch verzogen oder vielleicht auch nur aufgelöst hatte, denn die dunklen Wolken hingen immer noch über den Bergen. In der Ferne grummelte es leise.
    Wie hatte es doch häufig in den Romanen geheißen, die ich meiner Großmutter früher heimlich vom Nachttisch geklaut hatte? »Vom azurnen Himmel, dessen Bläue nur von vereinzelt wie Wattetupfer hingestreuten Wolkenbällchen unterbrochen wurde, gleißte eine Sonne, deren Strahlen die Tautropfen an den Grashalmen im Park in funkelndes Geschmeide verwandelten und auf die Wangen der Komtesse ein ebenso zartes Rosa hauchten, wie es die Blüten aufwiesen, von denen sie einige für die erkrankte Mutter pflücken wollte.«
    Omi hatte diese Romane geliebt. Sie stammten vorwiegend aus der Fleischerzeitung, erschienen in Fortsetzungen und wurden erst dann gelesen, wenn mit Kuß und stets nachfolgender Verlobung auch das letzte Kapitel abgeschlossen war. Meine Mutter bezeichnete diese Lektüre als Schmachtfetzen und verbot mir rundheraus, sie auch nur anzurühren.
    Nun pflegen Verbote ja meist das Gegenteil zu bewirken. Was ich mir eigentlich erhofft hatte, weiß ich nicht mehr, vermutlich Aufklärung über gewisse Dinge, die einem mit zwölf oder dreizehn Jahren noch etwas unklar sind. Jedenfalls holte ich mir diese mit einer Wäscheklammer sorgfältig zusammengehefteten Seiten, wenn ich mal wieder nichts mehr zu lesen hatte. Im Gegensatz zu heutigen Büchern waren diese sentimentalen Rührgeschichten harmlos. Jetzt gibt es ja Romane, die wagt man gar nicht aus der Hand zu legen, wenn Kinder im Haus sind.
    An die blumenreichen Schilderungen gräflicher Parks im Morgenlicht wurde ich erinnert, als ich nach der stürmischen Nacht die Wohnwagentür öffnete. Nun habe ich keine Ahnung, wie ein azurner Himmel auszusehen hat; der hier war jedenfalls wunderschön blau, und die Wattebällchen waren auch da. Das funkelnde Geschmeide an den Grashalmen waren zwar keine Tau-, sondern Regentropfen, rosa Blüten gab es weit und breit nicht, nur gelben Löwenzahn, aber sonst stimmte alles. Wenn man mal von dem Park absah. Ein halber Hektar Wiese ist kein Park, außerdem gibt es da Kieswege, und hier hatten wir nur gelben Matsch, den wir nachher würden hinunterrutschen müssen. »Aufstehen, Steffi! Die Sonne scheint, die Vöglein singen, es ist nicht zu heiß, also herrliches Reisewetter.«
    »Anscheinend haben wir ja doch überlebt«, kam es verschlafen aus dem Alkoven. »Wenn das so ist, könntest du ein letztes Mal frische Croissants holen. Ich mache inzwischen Kaffee.«
    Fast wären wir im Lehm steckengeblieben, als Steffi das Wohnmobil mehr schlitternd als fahrend den Weg hinunterbugsierte, aber dann hatte sie es doch geschafft und wieder festen Boden unter den Rädern. »Wenn ich jetzt noch wüßte, wie wir zur Autobahn kommen, wäre ich rundherum zufrieden.«
    Schilder gab es nicht, auf unseren nur mangelhaft funktionierenden Instinkt wollten wir uns auch nicht mehr verlassen, also griff ich wieder nach dem Wörterbuch und baute mich auskunftheischend vor einem mürrisch vor sich hintrottenden Mann auf. Beide Hände in den Hosentaschen vergraben, sah er mich kaum an, als ich ihn nach dem Weg fragte. Mit dem Kopf wies er in die entsprechende Richtung, murmelte noch etwas von à droite und bouclier und trottete weiter.
    »Du, das war der erste Mensch, der es fertiggebracht hat, dir mit den Händen in den Taschen den Weg zu erklären«, sagte Steffi lachend. »Hoffentlich hast du ihn trotzdem verstanden.«
    Von nun an ging es zügig vorwärts. Chambery, Aix-les-Bains, Annecy – Namen, die uns noch von der Herfahrt geläufig waren, nur kamen uns die Entfernungen zwischen den einzelnen Städten wesentlich kürzer vor. Autobahnen haben doch etwas für sich! Jedenfalls die französischen, denn die kosten Geld und werden deshalb weniger benutzt.
    Schweizer Grenze. Nein, wir hatten nichts zu verzollen, waren nur auf der Durchreise, die Vignette klebte auch noch an der Scheibe, dann also merci vielmals und gute Fahrt.
    »In Basel sollten wir noch mal tanken. Diesel ist in der Schweiz billiger als bei uns«, sagte Steffi.
    »Zigaretten auch.«
    Sofort winkte sie ab. »Ich
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