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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen?
Autoren: Evelyn Sanders
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Route nationale erreicht, die zwar ebenso kurvenreich, aber wenigstens etwas breiter war, und hielten in einem kleinen Bergdörfchen, in dem wir eine Telefonzelle zu finden hofften. »Eigentlich könnten wir hier doch unser Nachtquartier aufschlagen.«
    Sie hatte unter einer alten Eiche geparkt dicht neben einem Brunnen, die nächsten Häuser standen ein ganzes Stück weit weg, und in Sichtweite gab es sogar eine Kneipe, in der wir bestimmt etwas zu essen bekommen würden. Große Lust zum Kochen hatten wir beide nicht mehr.
    »Chez Henri« hieß das Wirtshaus, und der Mann mit der schmuddeligen Wolljacke über dem karierten Hemd mußte wohl der Patron persönlich sein. Er hätte dringend ein Bad und eine Rasur benötigt. Die beiden Männer vor dem Tresen auch. Eine halbgeleerte Hasche Pastis und drei Gläser standen auf der Theke.
    »Bonjour«, sagte ich zaghaft, »est-ce que c’est possible que je téléphone ici?« Immerhin hatte ich an der Wand ein Telefon entdeckt, auch wenn es so aussah, als sei es seit Monaten nicht mehr benutzt worden.
    Drei Augenpaare starrten uns an. »Ähhh?« machte der Wirt. Ich wiederholte meine Frage. Monsieur Henri schüttelte nur den Kopf und setzte zu einer langen Erklärung an, von der ich nicht ein einziges Wort verstand. Weshalb sprachen sämtliche Leute, mit denen ich zu kommunizieren versuchte, immer irgendeinen obskuren Dialekt?
    »Vielleicht sollten wir erst mal was zu trinken bestellen?« flüsterte Steffi. »Bei uns kann man ja auch nicht einfach in ein Lokal gehen und bloß telefonieren wollen.«
    Das leuchtete ein. Ich orderte zwei Flaschen Eau minérale, was den Umsatz dieser Lokalität sicher nicht wesentlich erhöhte, und dann trat ich noch einmal in Verhandlungen bezüglich des Telefons. Sie scheiterten wiederum an Verständigungsschwierigkeiten. Was ich wollte, schien der Patron zu begreifen, was er mir sagte, blieb weiterhin ein Rätsel. Schließlich winkte er mich hinter die Theke und hielt mir den Hörer ans Ohr. Es rauschte. Ach so, vermutlich lief hier alles noch über eine Vermittlung, und ich sollte ihm die Nummer geben. Alles klar! »Hast du ein Stück Papier zur Hand?«
    »Nur die Benzinquittung.«
    »Ist egal. Schreib unsere Nummer drauf, und setz vorsichtshalber Allemagne dahinter.«
    Auch das nützte nichts. »Cassé! Cassé!« sagte der Wirt immer wieder.
    »Ob der glaubt, daß wir nicht bezahlen können? Leg doch mal ein bißchen Geld auf den Tisch.«
    »Quatsch! Ich weiß zwar nicht, was cassé heißt, aber ganz bestimmt nicht das, was du glaubst. Hol lieber das Wörterbuch.«
    Nun endlich klärte sich die Sache. Cassé bedeutet kaputt, und eine cabine téléphonique gab es im ganzen Dorf nicht.
    Ich bedankte mich, zahlte unser Mineralwasser und verkniff mir wohlweislich die Frage nach einem möglichen Abendessen. Baguette und Käse hatten wir selber.
    Der noch vorher leere Platz hatte sich bevölkert. Eine Schar Kinder klebte an dem Wohnmobil und drückte an den Fenstern die Nasen platt, während sich drinnen die Hunde heiser bellten. Grüppchen von Erwachsenen beobachteten das Spektakel in gebührendem Abstand.
    »Nee, Määm, hier können wir nicht bleiben Anscheinend stehen wir mitten auf dem Dorfplatz und dienen momentan der allgemeinen Volksbelustigung. Kannst du dir vorstellen, was nach Feierabend hier los sein würde?«
    Dazu reichte meine Phantasie noch aus. »Wenn ich mich recht erinnere, sind wir kurz vor diesem Kaff an einem Waldstück vorbeigekommen. Dort gab es einen Seitenweg. Das wäre doch ein optimaler Stellplatz.«
    »Na schön«, sagte sie ergeben, »ich tu ja alles, was du willst. Sogar zurückfahren.«
    Höchstens zwei Kilometer ging es wieder bergab, dann sahen wir schon den Weg und gleich dahinter einen kleinen Steinbruch. Er schien aufgegeben worden zu sein, nur das Gerippe einer ausgeschlachteten Planierraupe erinnerte an frühere Betriebsamkeit.
    »Schnapp du dir mal die Hunde, ich sehe inzwischen nach, ob wir noch was anderes zu essen haben als Ravioli.«
    Das war auch eine von Steffi angeordnete Form von Arbeitsteilung! Jedesmal, wenn wir unseren abendlichen Rastplatz erreicht hatten, schickte sie mich samt den Vierbeinern auf die Pipi-Runde ohne Rücksicht auf etwaige Gefahren, die überall auf mich lauern konnten.
    Hier lauerten sie in Form von spitzen Steinen und verborgenen Wurzeln, denn der Weg verengte sich zu einem steilen Pfad, auf beiden Seiten von Büschen überwuchert, die in dichten Baumbestand
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