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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo
Autoren: Ono Mothwurf
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Charlotte um seine Beine strich.
    Pack endlich aus!
    Die Kamera lag vor ihm. Originalverpackte zehn Megapixel, ein echtes Schnäppchen. Und nun kam das Schönste, das Auspacken. Wondrak liebte das Auspacken. Wenn alles an seinem Platz war. Kein bisschen Luft und alles exakt aneinander passte. Die Gebrauchsanweisung, die Kabel, die CD mit der Software, die Akkus, die Kamera. Behutsam hob er die Teile heraus, und dann setzte er sie wieder zusammen, wie einen Baukasten. Der Hunger, den er beim Nach-Hause-Fahren noch verspürt hatte, war verflogen. Und während er auseinanderpackte und wieder zusammensetzte, fiel ihm auf, dass da noch ein bisschen Luft war, in der Sache mit SCP.

     
    Am nächsten Morgen waren die Zeitungen voll mit der Toskana-Entführung. Überraschenderweise erzählten die Zeitungsartikel nicht über die Frau, die von niemandem vermisst wurde, obwohl sie vermisst gemeldet war, sondern verkündeten nur in großen Lettern: ›Toskana-Entführung: Ich war seine Sex-Sklavin.‹
    Nachdem nun die Schlaganfall-Serie von einem Eventualmord zu einem handfesten Wirtschaftskriminalfall gereift war, gelang es Wondrak, über diese Berichte zu schmunzeln. Er konnte förmlich das Schmatzen hören, mit dem sich die Presse über den Fall hermachte. Die Aufmacher schillerten zwischen seriösen Zeilen wie: ›Stockholm-Syndrom in der Toskana. Warum sich Geiseln in ihre Entführer verlieben‹ bis zum hechelnden ›Verschleppt. Vergewaltigt. Verliebt.‹ In allen Farben wurde das Verhältnis des seltsamen Paares ausgemalt.
    Sophie kam in sein Zimmer gestürmt: »Nein, wie irre ist das denn!«
    »Was denn?«, fragte Wondrak
    Sophie hielt den aus dem Italienischen übersetzten Bericht der Festnahme in der Hand und las vor: »In dem Töpferatelier, das Wallberg angemietet hatte, wurden große Mengen an Ton gefunden, unter anderem neun massive Tonwürfel mit etwa einem Meter Seitenlänge, die künstlerisch bearbeitet wurden.«
    »Wir denken gerade etwa das Gleiche, gell?«
    »Sie haben’s wirklich gemacht! Sie haben den Ton zu Kunstwerken zurechtgevögelt. WondRRRak, das ist die tollste Liebesgeschichte seit Picasso und Dora Maar«, quietschte Sophie vor Vergnügen.
    Wondrak fragte nicht nach, wer Dora Maar war, und was sie mit Picasso gemacht hatte, vielleicht würde er später noch einmal darauf zurückkommen. »Wo ist Clara Braunstätter jetzt?«
    »In Arezzo. Immer in der Nähe ihres Liebsten. Er hat genug Geld, sie genug Zeit – da haben sich die Richtigen gefunden.«
    »Ist das nun ein Happy End mit Ansage?«
    »Mal sehen, wie lange es dauert, bis er wieder aus dem Knast kommt. Und ob sie so lange auf ihn warten kann. Vielleicht machen die beiden mit ihren Kunstwerken ein kleines Vermögen. Genug Öffentlichkeit haben sie ja jetzt. Übrigens: Schneidervater ist da. Wartet im Verhörraum auf dich. Und es gibt eine Neuigkeit zu TOPLITZ BRAIN TRUST. An der Münchener Beteiligungsgesellschaft, die ein Drittel von TBT hält, ist auch Schneidervater beteiligt. Und zwar mehrheitlich.«

     
    Wondrak begrüßte Schneidervater, und, wie zu erwarten war, Professor Doktor Dreher. »Espresso, die Herren? Oder lieber Cappuccino?«
    »Nein, nein«, ächzte Dreher und blickte auf die Uhr. »Wir halten uns hier ohnehin nicht lange auf.«
    »Lieber Professor Verdreher«, sagte Wondrak verächtlich.
    »Dreher, wenn ich bitten darf!«, schoss Dreher gleich los.
    »Sie haben recht. Sie müssen sich hier nicht aufhalten. Aber der Herr Schneidervater bleibt hier, bis alle meine Fragen beantwortet sind. Ein Unternehmen, an dem er nicht unerheblich finanziell beteiligt ist, ist in zwei mysteriöse Todesfälle in seiner Agentur verwickelt. Sein Geschäftsführer Doktor Haslsteiner versucht, mit 100.000 Euro eine Mitarbeiterin stillzustellen. Und als wir ihn dabei erwischen, will er sich das Leben nehmen. Glauben Sie mir: In fünf Minuten kann mir das Herr Schneidervater, von dessen Unschuld ich überzeugt bin, bestimmt nicht erklären. Also, Espresso oder Cappuccino? Ich mach’ mir nämlich jetzt erst mal einen Cappuccino.«

     
    Das mit Schneidervaters Unschuld war natürlich reinste Beschwichtigungsrhetorik, Wondrak war nämlich in Wahrheit von Schneidervaters Schuld überzeugt, aber er wollte Dreher den Zahn ziehen und das Verhör in einem halbwegs zivilisierten Ton beginnen.
    Drei Minuten später brachte Wondrak einen Espresso, einen Cappuccino und drei Gläser Wasser ins Verhörzimmer.
    Das Verhör gestaltete sich zäh. Im Großen und
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