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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo
Autoren: Ono Mothwurf
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sie auf die Schnelle über TOPLITZ BRAIN TRUST herausgefunden hatte. TBT war ein Gemeinschaftsunternehmen des Hirnforschers Professor Toplitz, einem TV-Vermarkter, der die Werbeblöcke von Privatsendern mit Spots füllte, und einer Münchener Beteiligungsgesellschaft. Nichts Auffälliges auf den ersten Blick. Von ihren Kollegen wurden Toplitz und TBT mit einer Mischung aus Neid, Bewunderung und offener Ablehnung beäugt. Ein besonders erbitterter Gegner war offenbar Professor Kleinbichler, Psychologe und ebenfalls renommierter Hirnforscher an der Uni München. Sophie hatte ihn angezapft. Kleinbichler war höchst aufgebracht darüber, dass Toplitz seinen Kunden aus der Werbeindustrie ›die Fernbedienung für die Kaufentscheidungen der Konsumenten‹ in die Hand geben wollte, wie er sich ausdrückte. ›Toplitz sollte sein Wissen lieber einsetzen, um Kranken zu helfen. Nicht um Gesunden das Geld aus der Tasche zu ziehen.‹
    »Na bitte«, sagte Wondrak, »soll noch einmal jemand sagen, dass es keine anständigen Ärzte mehr gibt. Aber ich vermute, dass er auch sauer auf das Geld ist, das in die Richtung von Toplitz fließt.«
    »Richtig vermutet. Er sagt, verglichen mit den Förderbeiträgen der Agenturen und Markenartikler betragen die Investments der Pharmaindustrie nur einen Bruchteil. Er schätzt den Faktor fünf.«
    »Also eine Million zu fünf Millionen.«
    »Mal zwei. Man schätzt, dass die Werbeindustrie im Moment knapp zehn Millionen in die Hirnforschung investiert. Jährlich.«
    »Aber das landet doch nicht alles in Hannover bei Toplitz, oder?«
    »Nein, in Berlin, Leipzig und München wird auch geforscht, aber niemand weiß genau, wer wie viel bekommt. In München kommen jedenfalls 800.000 Euro an. Das ist ein schönes Budget, damit kann Kleinbichler gut arbeiten, aber er sagt, verglichen mit TOPLITZ BRAIN TRUST sind sie arme Schlucker.«
    »Gibt’s irgendwelche Hinweise auf ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko im Dunstkreis von TBT?«
    »War ihm nicht bekannt, aber er will sich noch einmal umhören.«
    »Und Doktor Haslsteiner, der kleine Chef unserer kleinen Agentur – lebt der noch?«, erkundigte sich Wondrak.
    »Ja, der ist vor einer Stunde gesund wieder in München gelandet. Er war schon wieder auf dem Rückflug von Hannover, als du deine Warnung abgesetzt hast und zeigte sich ein bisschen irritiert über den Personenschutz. Aber er ist gesund und munter. Sollen wir den heute noch befragen?«
    »Warum?«
    »Falls er morgen tot ist.« Manchmal hatte weibliche Logik etwas wirklich Bezwingendes.
    »Gut. Aber beschwer’ dich hinterher nie wieder, dass ich dich nur noch dienstlich treffe!«
    Wondrak sah seine Spareribs anbrennen, seine Brezn lätschig werden und seine Kehle austrocknen, es war ein Jammer. Lohnte es sich wirklich, wegen ein paar Werbefuzzis diesen schönen Abend wegzuschmeißen? Aber Wondrak wusste, dass dies eine rhetorische Frage war, die er sich da gerade selbst gestellt hatte. Die Erfahrung seiner mehr als 20 Jahre hatte gezeigt, dass er solche Abende ja doch nicht genießen konnte. Dass sich in das › Ahhh!‹ nach dem ersten Schluck Bier immer ein › Ja, aber ‹ gemischt hatte, das so ein ungelöster Fall wie ein automatisches Signal an den dauerbereiten Empfänger in Wondraks Hirn versandte. Also wendete Wondrak tapfer seinen Volvo und statt auf den Parkplatz beim ›Alten Wirt‹ einzubiegen, fuhr er zur A96 weiter, um den kleinen Chef in München zu treffen. Die Personenschützer wussten ja, wo er sich gerade aufhielt.

     
      Nachdem sie ihre Kollegen begrüßt hatten, klingelten sie an dem sterilen Hochhausbau in Schwabing. Ein schmuckloser, weißgrauer 70er-Jahre-Bau.
    »Drücken Sie den Knopf für die sechste Etage und während der Fahrt auf die drei, dann kommen Sie ganz rauf«, hatte die Stimme aus dem Lautsprecher getönt.
    Wondrak und Sophie stiegen in die braune Blechkiste und ließen sich ganz rauffahren.
    »Das nenne ich Understatement«, sagte Wondrak anerkennend, als sie ausstiegen.
    Der Aufzug landete direkt im hellen Vorraum des gleißend hellen Dachgeschoss-Appartements. Doktor Haslsteiner bewohnte das gesamte Geschoss. Die Architektur und Ausstattung des Appartements waren so zeitlos, dass man unmöglich sagen konnte, ob er vor einem oder vor zehn Jahren hier eingezogen war.
    »Schön, dass Sie noch leben«, begrüßte Wondrak ihn. »Und schön, wie Sie leben.« Dann erzählte er ihm die Geschichte mit dem dritten Mann, zeigte ihm den Comic und erklärte, warum
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