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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo
Autoren: Ono Mothwurf
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kein Geld bringen, sondern welches kosten.«
    »Waren da bedrohliche Situationen, an die Sie sich erinnern können?«
    »Ehrlich gesagt – die meisten der Leute waren Luschen und sind heute pleite. Mit zwei Agenturmännern habe ich mich ein zweites Mal getroffen, aber auch nur, um mehr über ihr Geschäftsmodell zu erfahren.«
    »Waren die enttäuscht, dass Sie kein weiteres Interesse gezeigt haben?«
    Wondrak hatte sich während des Gesprächs im Zimmer umgesehen. Das war kein Büro, das war ein Wohnzimmer, mit einem Schreibtisch drin, von dem aus Schneidervater einen freien Blick über den See hatte. Glatte Wände, minimalistisch eingerichtet, mit wenigen, aber, wie Wondrak vermutete, teuren Dingen. Vermutlich nicht bei einer -30 Prozent-Aktion beim Möbelgiganten gekauft. Vor dem offenen Kamin stand eine Ledersitzgruppe, auf dem Couchtisch thronten großformatige, dicke Bildbände und auf dem Glasschreibtisch, an dem Schneidervater und Wondrak saßen, lagen außer einem Telefon und einem Laptop nur ein paar Fachzeitschriften. Wondrak merkte, dass er bei Schneidervater an der falschen Adresse war und seine Ausführungen zur Wirtschaft im Allgemeinen und Werbewirtschaft im Besonderen ihn nicht wirklich interessierten. Noch zwei Sätze, dann würde er sich verabschieden. Bis dahin versuchte er, die auf dem Kopf stehenden Schlagzeilen der Zeitschriften zu entziffern.
    Das Vorzimmer war nicht ganz so schön aufgeräumt wie das von Schneidervater, seine Assistentin hatte einen Stapel auf ihren Schreibtisch getürmt, den sie wohl gerade zu Schneidervater tragen wollte. Zuoberst lag eine Fachzeitschrift. Neben dem Porträt eines Mannes, den Wondrak noch nie gesehen hatte, stand die Zeile: ›Professor Toplitz: Der Schlüssel zum Hirn.‹ Wondrak nahm es sich vom Stapel und ging damit noch einmal zum Schneidervater hinein. Der war kurz überrascht, hatte sich aber sofort wieder gefangen.
    »Ja, es kommt eben alles wieder«, spottete Schneidervater. »In den 60er-Jahren war Hirnforschung bereits einmal das große Thema, erinnern Sie sich noch an die ›Geheimen Verführer‹ von Vance Packard? Danach haben die amerikanischen Agenturen begonnen, die Leute zu verkabeln, bevor sie ihnen ihre Werbung vorlegten. Hat sich Gott sei Dank wieder gelegt, aber dann sind diese modernen Hochleistungs-MRTs entwickelt worden, und nun glauben alle, nur weil man dem Menschen ins Hirn schauen kann, wüsste man auch, was er denkt. Aber genau das verspricht dieser Professor aus Hannover, zu dem jetzt alle Agenturen hinpilgern. Mit praktisch jeder größeren Agentur hat der ein Forschungsprojekt laufen.«
    »Mit Ihrer auch?«
    »Selbstverständlich. Sie haben heutzutage bei einer Neugeschäftspräsentation gar keine Chance, wenn Sie nicht erzählen, dass Sie mit Toplitz zusammenarbeiten. Sonst gelten Sie als hoffnungslos veraltet, als Feind der Wissenschaft, als Old School. Also bekommt der Kerl von uns 30.000 Euro im Jahr, aber fragen Sie mich bitte nicht, wofür. Im Grunde ist es nur dafür, dass wir sein Logo in unsere Präsentation aufnehmen dürfen.«
    »Wie heißt denn das Institut hinter dem Logo?«, fragte Wondrak.
    »Das ist kein Institut, das ist eine Firma mit 50 Mitarbeitern. TBT, TOPLITZ BRAIN TRUST. Aber ich glaube nicht an diesen Hokuspokus, ich spiele das Spiel mit, weil es alle spielen. Soll ich mich gegen die größten Agenturen Deutschlands stellen, die alle das Hohelied der Hirnforschung singen und behaupten: Ist doch Pillepalle? Das wäre unternehmerischer Selbstmord. Also stelle ich mich hinten in den Chor dazu, singe zwar den Text nicht mit, aber bewege meine Lippen dazu. Opportunistisch? Ja. Wenn das heute dazugehört – meinetwegen. Meine Meinung dazu ist: TBT ist eine Schwanzprothese für die kreativ Impotenten.«
    »Aber kreative Impotenz kann man SCP doch jetzt wirklich nicht vorwerfen. Résistance ist richtig erfolgreich, habe ich mir sagen lassen.«
    »Sie haben recht, Herr Kommissar. Und wenn ich es mir recht überlege: Wenn Arminius ein Erfolg wird, dann wäre das eigentlich ein Grund, TOPLITZ BRAIN TRUST einmal richtig groß infrage zu stellen. Sie bringen mich da auf eine tolle Idee, Herr Kommissar.«
    »Herr Schneidervater: Wer, wenn nicht Sie, hatte denn in der Agentur Kontakt zu TBT?«
    »Jetzt? Eigentlich nur noch der Doktor Haslsteiner, mein Beratungsgeschäftsführer.«
    »Was meinen Sie mit › jetzt nur noch‹?«
    »Na ja, der Olanger, der Thamm und der Haslsteiner waren die
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