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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo
Autoren: Ono Mothwurf
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Feinschmecker!«, flötete sie, »ich weiß genau, was du vorhast, du willst mir die Flasche …«, und so weiter, »aber … ich nehm’ lieber Bionade. Die hat auch so eine schöne Form … (seufz!) …« Nun nahm sie einen französischen Akzent an und imitierte die Weizen-Werbesprecherin aus dem Fernsehen: »… und sie prickelt so viele herrlischer in meine Bauchnabel.« Dann ging sie mit ihm ins Gebüsch und verführte ihn nach allen Regeln der Kunst, wobei auch das Prickeln der Bionade eine nicht zu unterschätzende Rolle einnahm.
    Ab diesem Nachmittag wickelte sie ihn drei- bis viermal in der Woche kunstvoll und langsam um ihren Finger. Zuerst beutete sie für ihn all ihre Jugendabenteuer aus, dann die Affären mit verheirateten Männern und irgendwann begann sie, sich selbst Geschichten auszudenken. Abenteuer, die sie gern erlebt hätte. Und Abenteuer, von denen sie froh war, dass sie nur in ihrem Kopf passierten. Hubert konnte nicht genug von ihr bekommen. Aber irgendwann war es dann leider mit dem fantastischen Realismus vorbei. Er nannte ihr die Lieblingstitel seiner Pornosammlung und mit Erstaunen musste Clara feststellen, wie ähnlich ihr die Hauptdarstellerinnen sahen. Alle trugen brünettes Haar, keine einzige Blondine war unter ihnen. Dabei war es wirklich schwer, in diesem Genre keine Blondinen zu finden. Sie nahm es als Kompliment und studierte mit einigem Interesse die Streifen (es gelang ihr übrigens, den Kauf bei der Steuer als einkommensmindernde Ausgaben geltend zu machen). Eigentlich wollte Hubert nur, dass Clara sich ein paar Anregungen holte. Und dass sie sich die Filme gemeinsam am Telefon ansahen. Doch Clara war von den miserablen deutschen Fassungen dermaßen erschüttert, dass sie gleich ein neues Genre daraus entwickelte: die Synchronisation von Filmen per Telefonhotline. Auf ihrer Website standen bald die Anfangszeiten ausgewählter Pornofilme. Und dann konnte, wer wollte, bei Claras Live-Porno-Hörspiel dabei sein. Ein ausgeklügeltes Preissystem ließ sie an jeder Vorführung gleich mehrfach kassieren: erstens mit den ein bis zehn Herren, die live beim Telefonchat mitmachen durften (doppelter Tarif) und dann an den Hörern, die einfach nur zuhörten (einfacher Tarif). Nach einiger Zeit war ihre Telefonnummer so populär, dass sie die Einschaltquoten jeder besseren Fernseh-Busenshow in den Schatten stellte. Nach einem Jahr bekam sie dafür sogar den Porno-Oscar in der Kategorie Innovations.
    Dann gab es leider dieses kleine Urheberrechtsproblem. Der Anwalt einer großen amerikanischen Produktionsfirma rief an und plötzlich standen 50.000 Dollar Strafe im Raum. Doch Clara kam vor Gericht durch, mit ihrem Argument, ihre Telefon-Events wären keineswegs eine missbräuchliche gewerbliche Nutzung der DVDs, sondern würden sogar den Verkauf ankurbeln. Schließlich waren alle verwendeten DVDs ordnungsgemäß gekauft, und was ein Käufer während des Ansehens macht, kann das Urheberrecht nun wirklich niemandem vorschreiben.
    Doch das Verfahren kostete Clara ein halbes Jahr und in der Zwischenzeit war ihre Stammkundschaft abgewandert. Zu den jungen Dingern mit ihren Webcams im Internet, die alle schlimme, quäkende Stimmen hatten, die man nur ertrug, indem man harte Techno-Musik daruntermischte. Aber die Mädchen sahen alle toll aus und machten das, was Clara am Telefon nur erzählte, live vor der Kamera unter Einsatz aller Körperöffnungen. Da war es egal, ob sie einen starken Pfälzer Akzent hatten, oder nur 20 Worte Deutsch konnten, die von Ukrainisch kaum zu unterscheiden waren.
    So spürte Clara, dass sie sich rückwärts bewegte und ihre Energie verlor. Das Kratzige in ihrer Stimme, das früher so sexy klang, war nun immer öfter kratzbürstig. Die Einnahmen schrumpften, also nahm sie einen zusätzlichen Job als Kurierfahrerin an.
    Wenn eine Existenz erst mal ins Wanken gerät, dann geht meist noch mehr schief, als man brauchen kann. Dementsprechend verlor sie auch noch ihr Handy, dadurch waren ein paar der alten Stammkundennummern weg, das Headset passte nicht mehr und so musste sie mit ihrem alten Telefon herumhantieren.
    Das muss man sich mal vorstellen: eine Kurierfahrerin ohne Freisprecheinrichtung im Auto beim Telefonsex! Da sind gleich zwei Jobs auf einmal gefährdet. So war es bei all dem Stress irgendwie auch kein Wunder, dass eines Tages Hubert nicht mehr anrief.

     

7. Tom
    Der reißende Strom von jungen Design-Absolventen aus ganz Deutschland hatte das Fundament von
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