Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo
Autoren: Ono Mothwurf
Vom Netzwerk:
Fenster, wie die Kurierfahrerin ins Auto einstieg.

     
    »Hmm … beschreib mal, was du anhast, du kleines Biest!«
    Der Lambswoolpulli nahm seine weiche, kratzige Melodie wieder auf, doch Hubert merkte, wie sich in den sonst so selbstsicheren Klang ein wenig Hilflosigkeit gemischt hatte. Dann legte er auf.

5. Alles wie immer. Also nichts

     
    Wondrak hatte wieder einmal keinen Mord auf dem Tisch, als er beschloss, den Kollegen vom KDD einen kleinen Besuch abzustatten. Der Kriminaldauerdienst, den er davor nur aus dem Fernsehen kannte, war in Fürstenfeldbruck angekommen. Die Polizeireform von Altlandesvater Stoiber (oder sollte man in der Ära Seehofer besser Altlandesurgroßvater sagen?) war eigentlich gar keine schlechte Idee gewesen. Sie hatte die bisherigen Polizeidirektionen aufgelöst und große Zentralen gebildet.
    Komisch fand Wondrak nur, dass sein Revier nun der Zentrale Oberbayern Nord in Ingolstadt zugerechnet wurde, es fühlte sich eigentlich viel südlicher an, in Fürstenfeldbruck, an der Amper. An warmen Sommerabenden schien der Fluss eine direkte Verbindung zur Adria zu haben. Ganz hinten, am Südende des Ammersees, im Dunst hinter Dießen, hinter Weilheim, hinter Murnau, hinter Garmisch, hinter Innsbruck, hinter Bozen, hinter Verona, da konnte man die großen Kreuzfahrtschiffe anlegen spüren. Man fühlte den Ruck, wenn sich die Seile spannten, und die 150.000 Bruttoregistertonnen an den Pollern festmachten. Es rummste bis Fürstenfeldbruck, ein kleines Zittern lief dann immer die Amper hinunter.
    Und dieses Fürstenfeldbruck, dieser gewissermaßen adriatische Vorposten sollte nun von einer Zentrale Nord aus gesteuert werden?
    Alles in allem war das Wondrak aber relativ bis völlig wurscht, da er sowieso halb norwegische Wurzeln hatte, und ihm jede Art von Aufregung oder gar Empörung suspekt war. Wondrak war kein Südmensch. Er war ein Mittelmensch. Ein Nordeuropäer mit der üblichen Sehnsucht nach dem anderen. Nach dem Wärmeren. Diese Sehnsucht hatte ihn hierher, an den Rand der Münchener Schotterebene, gespült. Und sein halbösterreichisches Phlegma, das die andere Seite seines Charakters bestimmte, hatte ihn hier festgehalten.

     
    »Servus, miteinander. Kann ich was helfen?« Die drei Augenpaare der KDD-Schicht blickten Thomas Wondrak an. Es waren noch vier Stunden bis zur Wachablöse. Hier wurde rund um die Uhr dafür gesorgt, dass das sicherste Land der Republik noch ein bisschen sicherer wurde.
    »Aktuell haben wir nur eine Vermisstenmeldung reinbekommen. Eine Kurierfahrerin, eigentlich nix für Sie. Aber vielleicht was für Ihre Schule der Kommissare?«, fragte Sophie Stengler, die Neue, die aus Ingolstadt nach Bruck, also Fürstenfeldbruck, gekommen war, um den KDD einzurichten. War da ein leicht spöttischer Unterton zu vernehmen? Wondrak beschloss, ihn ernst zu nehmen und betrachtete nachdenklich ihr hübsches Gesicht. Das unverkennbare rollende R der Oberpfälzer nahm dem Spott seine Schärfe, beinahe hätte er grinsen müssen, zu lustig klang ›Schule deRRR KommissaRRRe‹.

     
    »Habt ihr schon ein SuchRRasteRR?«, fragte er in scheinbar gleichmütigem Ton, aber mit ebenso rollendem R, während er sich überlegte, welche Meinung Sophie Stengler wohl von der Polizeischule Fürstenfeldbruck haben mochte. Klar, das war die Kaderschmiede der bayerischen Kommissare und Wondrak wohl ihr berühmtester Lehrbeauftragter. Einige Dutzend tüchtige Kriminalbeamte hatte er in den letzten fünf Jahren ausgebildet, ein paar waren sicher auch in Ingolstadt gelandet. Und hatten dort den Ruhm ihres Meisters gemehrt. Oder war etwa das Gegenteil der Fall? Sophie hatte jedenfalls bei der Konkurrenz gelernt, Polizeischule Sulzbach-Rosenberg, tiefste Oberpfalz, so viel stand fest.
    Ein wenig überrascht entdeckte er in ihren Augen, tief hinten, hinter einer Fassade aus professionellem Gleichmut, hinter dem Pagenkopf, hinter den Sommersprossen, hinter den dunkelblonden Wimpern, die einen Anflug von Rot auf den Spitzen trugen, wie sehr sie der Spott über das rollende R schmerzte. Hastig schaltete er einen Gang zurück; manchmal wurde er Frauen gegenüber auf eine Art brutal, die ihm erst Wochen später erschrocken bewusst wurde.
    »Komm, wir sind doch beide Zuagroaste, da können wir doch das Sie weglassen. Sag Thomas zu mir.« Er streckte ihr die Hand entgegen. Sophie ergriff sie nur zögernd. »Was? Bist du nicht von hier?«
    Die zwei Kollegen, Dillinger und Dollinger, die den kurzen Dialog
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher