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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo
Autoren: Ono Mothwurf
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Sklaven als Mann.«
    »Nein, ich werde ein großer und berühmter …«
    Selena unterbrach ihn. »Du wirst ein großer, berühmter Idiot werden.«
    »Nein, Selena!« Nur wenn er streng mit ihr sprach, nannte er sie bei ihrem vollen Namen. »Ich werde nicht als Sklave enden, ich werde groß und berühmt. Und ich fange heute damit an.« Dann legte er auf. Vier Stunden später war Timos beste Arbeit, die er jemals gemacht hatte, fertig. Und Selena tot.

3. Phantomstreicheln
    Als Kriminalhauptkommissar Thomas Wondrak die Gewissheit erreichte, dass Charlotte weg war, fror er im Gehen ein. Er war gerade auf dem Weg zum Sofa gewesen, einer modernen, aber doch gemütlichen Über-Eck-Sitzgruppe, die er vor einem halben Jahr bei einer selbstmörderischen 35-Prozent-Aktion des lokalen Möbelgiganten erstanden hatte. Vom ersten Abend an war dieses Sofa zum Lieblingsplatz Wondraks und Charlottes geworden. Obwohl es Wondrak ganz allein gekauft hatte. Ohne Charlotte zu fragen. Und nun blickte er auf die zusammengefaltete braune Kamelhaardecke und vermisste die Kuhle, die ihre Besitzerin verriet. Vier Tage. Das war doppelt so lang wie der längste Solotripp, den sie jemals unternommen hatte. Gedankenverloren setzte er sich hin und ließ seine Hand über die Decke wandern. Er konnte sie beinahe neben sich spüren. Als könnte er sie herbeistreicheln, begann er die braune Decke zu kraulen. Doch die tat ihm nicht den Gefallen, zu schnurren. Sie reckte ihm auch nicht ihr rechtes Ohr entgegen, damit er es am Ansatz liebkosen konnte. Und sie streckte auch keine Vorderpfoten aus, um sich zu recken und die Nägel in der Decke zu vergraben. Und doch hatte er das Gefühl, dass sie da war. Es war wie bei einer Amputation. Der ganze Arm fehlt und doch melden die Nerven ans Gehirn immer noch rätselhafte Signale wie: Nagelhaut am linken Zeigefinger ist eingerissen, müsste abgeschnitten werden. Phantomschmerzen eben. Da war nichts mehr zu fühlen, und doch spürte man jedes Detail.

     
    Vier Tage lang hatte er jeden Morgen den Fressnapf neu gefüllt und jeden Abend war er unangetastet geblieben. War Charlotte in die Amper gefallen, den breiten, warmen, ruhigen und doch schnellen Fluss, der direkt an seinem Garten vorbeirauschte? Hatte sie sich vom verführerischen Zwilipp der Bachstelzen in den Weiden so lange auf immer dünnere Äste locken lassen, bis die Schwerkraft schließlich über das Jagdfieber siegte? Zweimal täglich war Wondrak durch den Garten gepirscht und hatte sie gerufen. Sein ›Dschungel am Amazonas‹, wie er ihn gelegentlich nannte, war nicht besonders groß, aber so dicht verwildert, dass sich darin ein Dutzend Verstecke finden ließen.
    Er hatte bei den Nachbarn nachgefragt, die gelegentlich die Fütterung übernahmen, wenn Wondrak mal länger auswärts unterwegs war, doch auch hier nichts.
    Er brauchte dringend Charlottes Beistand. Denn seit er heute Morgen aufgestanden war, hatte er dieses Kribbeln in der Lebenslinie seiner rechten Hand. Und das waren keine Phantomschmerzen. Wenn es ihn in der rechten juckte, war das meist ein Zeichen, dass es Arbeit gab. Die Rechte war die Hand, mit der Wondrak nachdachte, kritzelte, schrieb, zielte und schoss. In Wondraks Revier war ein Mord geschehen.

4. Das Schweigen der Lammwolle
    Sie hatte eine Stimme wie ein Lambswoolpullover. Weich, aber auch eine Spur kratzig. Wer Clara zum ersten Mal reden hörte, fragte sich: Welche Signale wurden hier gesendet? Dieses heisere, kehlige, kullernde Lachen erzählte 1001 Geschichte von tobenden Nächten. Von exzessiven Gelagen. Vom Fehlen irgendwelcher Einschränkungen. Von unendlichen Möglichkeiten. Es waren Versprechungen, die kein lebendes Wesen erfüllen konnte. Und so wurde Clara zu einer Fantasie. Jeder konnte sich selbst ausmalen, was unter dem Lambswoolpulli steckte. Jeder konnte mit ihr machen, was er wollte. Ihr machte alles Spaß. Für 1,72 Euro pro Minute.

     
    Hubert öffnete die Haustüre. »Wenn Sie bitte hier unterschreiben wollen«, sagte die brünette Frau zu ihm in einem Ton, der irgendwie künstlich klang. Gepresst. Sie war schlank, nicht groß, nicht klein, weder schön noch hässlich, Ende 30 und trug einen Parka, der ihre Figur verhüllte. Hubert nahm das Paket entgegen und schloss die Tür wieder.

     
    »So, da bin ich wieder, na, was sagst du? Ich hab’ mir ein bisschen was …«, und hier machte die weibliche Stimme eine kleine Kunstpause, »… Leichteres angezogen, gefällt’s dir?«
    Hubert sah aus dem
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