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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät
Autoren: Nele Neuhaus
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stellen. Und dafür, dass du einen Polizeibeamten angeschossen hast, wirst du eine Strafe bekommen. Aber wenn du mir jetzt die Pistole gibst, wird das beim Strafmaß berücksichtigt werden, das verspreche ich dir.«
    Er biss sich unschlüssig auf die Lippen, dachte nach. Die Hand, in der er die Pistole hielt, hing schlaff nach unten. Pia betrachtete ihn. Ihr Herz pochte heftig. Es war der alles entscheidende Moment.
    Â»Mark«, sagte sie eindringlich, »bitte vertrau mir. Du kannst jetzt alles richtig oder alles falsch machen.«
    Sie streckte die Hand nach der Pistole aus.
    Â»Ich wollte niemanden verletzen«, flüsterte Mark heiser. »Ehrlich.«
    Â»Das glaube ich dir.«
    Der Schweiß rann ihr den Rücken hinab, sie musste sich zwingen, ruhig zu bleiben, ihn nicht zu drängen. Der Kühlschrank ratterte in der Stille. Jannis stöhnte, lauter diesmal. Er hatte die Augen geschlossen und zitterte am ganzen Körper. Ricky rührte sich nicht, ihre Augen hingen wie hypnotisiert auf der Waffe in Marks Hand.
    Â»Hier«, sagte der Junge plötzlich und reichte Pia die Pistole. Vor Erleichterung wurden ihre Knie ganz weich.
    Â»Danke, dass Sie reingekommen sind und nicht das SEK oder so geschickt haben«, sagte Mark leise. Ein zaghaftes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Immer haben sie gelogen. Irgendwie lügen mich alle an. Ich war so blöd.«
    Â»Du warst nicht blöd«, erwiderte Pia. »Du hast ihnen eben vertraut.«
    Â»Ich glaube, ich vertrau nie mehr jemandem«, murmelte er dumpf.
    Pia legte ihm die Hand auf die Schulter.
    Â»Leider lügen die meisten Menschen«, sagte sie. »Das tut sehr weh, weil man übel enttäuscht wird. Ich habe das auch schon oft genug erlebt. Aber man lernt damit umzugehen und die Lügner zu erkennen.«
    Mark stieß einen tiefen Seufzer aus.
    Â»Meine Eltern werden stinkwütend auf mich sein.« Auf einmal wirkte er unsicher und verängstigt. »Ich hab sie nur enttäuscht.«
    Â»Ich denke nicht, dass sie wütend sind.« Pia streichelte seinen Arm. »Eher froh, weil dir nichts passiert ist.«
    Â»Meinen Sie?«
    Â»Ja, das meine ich.«
    Er betrachtete sie einen Moment zweifelnd.
    Â»Woher hattest du eigentlich die Pistole?«, wollte Pia wissen.
    Â»Sie lag bei Ricky im Kleiderschrank. Zusammen mit dem Gewehr, das vorher auf dem Heuboden war.«
    Es handelte sich offenbar um die Pistole, die aus dem Waffenschrank von Ludwig Hirtreiter verschwunden war, und das war der letzte Beweis, den Pia gebraucht hatte. Sie wandte sich an Frau Franzen, aus deren Miene jetzt, da die akute Gefahr gebannt war, die Angst verschwunden war. Sie sah nur noch wütend aus.
    Â»Könnten Sie mich hier vielleicht mal losmachen?«, forderte sie.
    Â»Einen Augenblick werden Sie noch Geduld haben müssen«, erwiderte Pia. »Ach ja, Sie sind übrigens festgenommen. Wegen Mordes an Ludwig Hirtreiter.«
    Marks Augen weiteten sich ungläubig.
    Â»Sie hat … nein, das glaube ich nicht.« Er schüttelte den Kopf.
    Â»Doch, sie hat.«
    Â»Aber … aber sie war total fix und fertig! Sie hat geheult und …« Mark brach ab und betrachtete Ricky angewidert. »Du bist echt das Letzte.«
    Ricky starrte stumm an ihm vorbei. Pia gab Mark die Kamera und ließ das Magazin aus der Waffe gleiten. Ihr wurde kurz schwindelig. Das Magazin war leer.

31. Dezember 2008
    Sie schob ihre Magnetkarte in den Schlitz und wartete darauf, dass die Schranke hochging. Doch plötzlich stand wie aus dem Boden gewachsen eine schwarz gekleidete Gestalt neben ihrem Auto und griff durch das geöffnete Fenster nach ihrem Handgelenk. Einer der Wachmänner! Ausgerechnet! Sie erschrak beinahe zu Tode, trat wie im Reflex auf das Gaspedal. Das Auto machte einen Satz nach vorne, die gelbe Schranke splitterte krachend.
    Â»Scheiße!«, stieß sie hervor und kurbelte verzweifelt am Lenkrad, um nicht die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren. Im Rückspiegel sah sie Scheinwerfer aufflammen. Mit ihrem BMW hatte sie eine reelle Chance, ihren Verfolgern zu entkommen. Sie gab Gas. Dirks Gorillas waren sicher nicht zufällig am Institut! Hatte sie irgendeinen stillen Alarm ausgelöst, ohne es zu bemerken? Oder waren sie einfach auf Verdacht zum Institut gefahren, nachdem sie ihnen gestern Nacht im Hotel entkommen war? Ihr war klar, dass Dirk hinter alldem stecken musste, und
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