Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt
Autoren: Michael Z. Lewin
Vom Netzwerk:
bedrohen Ihr Leben.« Er überprüfte
     seine Waffe. Die Streifenpolizisten taten dasselbe. Dann bezogen sie ihre
     Positionen.
    Nachdem wir ihnen ein wenig
     Zeit gelassen hatten, gingen Miller und ich schweigend über den Rasen
     zur Vordertür.
    Es war ungefähr halb
     neun und dunkel. Zu unserer Rechten Lichter im Erdgeschoß und
     Obergeschoß. Anderswo war gedämpftes Licht zu sehen.
    Ich spürte die Majestät,
     die ein großes Haus haben kann, vor allem, wenn man über den
     Rasen geht, als gehöre es einem. Der Crystal-Palast.
    Leander Crystal öffnete
     die Tür. Einen Augenblick lang stand er einfach nur da und
     verarbeitete die Tatsache, daß wir zu zweit waren. Dann
     funktionierte er. »Kommen Sie herein.« Er führte uns ins
     Wohnzimmer. Auch gut. Es war der einzige Raum im Haus, der mir ein wenig
     vertraut war, in dem ich mich wohl fühlte.
    Das Wohlgefühl hielt
     nicht lange an. Im Wohnzimmer saß nämlich auch Henry Chivian,
     MD. Als wir reinkamen, stand er auf. Er grinste. Er konnte noch nicht
     lange dort gewesen sein, sonst hätte er nicht mehr gegrinst, weil
     Leander ihm sicher erzählt haben würde, was ich wußte.
     Oder würde er trotzdem grinsen?
    »Wo sind denn die
     anderen alle?« fragte ich, als wir uns setzten, wir beide ihnen
     beiden gegenüber. Leander sagte: »Fleur und Eloise sind oben.
     Was kann ich für Sie tun? Und wer ist dieser Gentleman?«
    »Das ist Jerry Miller.
     Er ist ein Freund von mir, und er ist außerdem Sergeant bei der
     Polizei.«
    »Polizei!« Er
     stand auf. Ich verzieh ihm das. Jeder wäre nervös gewesen an
     einem Tag, an dem seine Betrügereien aus sechzehn Jahren auf ihn zurückfielen.
     Was ich aber erst verarbeiten mußte, war, wie nervös er war.
    »Setzen Sie sich, Mr.
     Crystal.« Ich benutzte meinen väterlichen Tonfall. Er setzte
     sich. Dankenswerterweise hatte Chivian aufgehört zu grinsen. Ich wäre
     am liebsten auf den Tisch zwischen uns gesprungen und hätte ihm die
     Perücke abgerissen.
    Leander übernahm auf
     ihrer Seite das Reden.
    »Ich verstehe nicht,
     Samson. Heute nachmittag…« Er unterbrach sich. »Was weiß
     er?«
    Ich redete für unsere
     Seite. Ich sprach mit gelassener Stimme und konzentrierte mich auf sein
     Gesicht. »Er weiß alles, was Sie mir heute nachmittag erzählt
     haben.«
    Er saß einfach nur da
     und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe es nicht. Ich dachte,
     wir hätten eine Übereinkunft getroffen.«
    Chivian wußte
     offenkundig nichts. Er war entspannt und hatte wieder begonnen zu grinsen.
    »Die Dinge haben sich
     geändert seit heute nachmittag.«
    Immer noch gelassen. »Ich
     bin hinter die Sache mit Annie gekommen.«
    Er sah mich an. »Was
     ist mit Annie?« Chivians Grinsen verschwand schlagartig. Er rückte
     an den Rand des Sofas vor.
    »Ich habe ihre Leiche
     gefunden.«
    »Ihre Leiche!«
     sagte Crystal. »Wo? Wann? Wann ist sie…«
    Ich bin nicht unfehlbar, aber
     für mich war das gut genug.
    »In New York«,
     sagte ich. »Central Park.«
    »Aber wann? Ich
     verstehe nicht, was das mit der anderen Sache zu tun hat…«
     Und dann brach plötzlich, glaube ich, das Begreifen wie eine Woge
     über ihm zusammen. Man sah es in seinen Augen. Ich half nach.
    »Vor sechzehn Jahren«,
     sagte ich. »Sie ist am 23. November gefunden worden.«
    »O mein Gott«,
     sagte er. Er hatte den Kopf gesenkt. Die Hände vorm Gesicht.
    In diesem Augenblick muß
     ich auch zum ersten Mal das schrille Lachen gehört haben. Es setzte
     ziemlich leise ein, und ich nahm es noch nicht richtig wahr, noch nicht
     als ein Lachen.
    Erst in der Erinnerung wurde
     mir klar, wann es begonnen hatte.
    »O mein Gott«,
     wiederholte er. »Nein!« Ich konzentrierte mich auf Crystal.
     Ich erinnere mich noch daran, daß ich mich fragte, ob er weinte oder
     was. Ich spürte, wie sich sein Körper verspannte. Und in diesem
     Augenblick wurde mir dann auch bewußt klar, daß das Geräusch
     ein Lachen war.
    Es war gräßlich
     und schrill und wurde immer lauter. Ich bezeichne es als Lachen, weil mein
     Wortschatz nicht besonders reichhaltig ist. Aber es war kein Schrei. Es
     wurde lauter. Ein paar Augenblicke lang konnte ich nicht ausmachen, aus
     welcher Richtung es kam. Ich sah Chivian an, aber auch der sah sich um.
    Ich schätze, ich war
     davon überzeugt, daß es von Crystal kam.
    Aber einen Augenblick nachdem
     ich mir dieses Geräuschs und der Anspannung, die Crystal durchlief,
     bewußt geworden war, überstürzte sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher