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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
Autoren: Gert Prokop
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erfährt –«
    »Haben wir versucht«, unterbrach ihn Anne, »aber das hat zu nichts geführt. Entweder, die Informationen sind nicht bis zur NSA gelangt, oder man wußte, daß es Fallen waren.«
    »Wer wußte von dieser Aktion?«
    »Nur der Ooverall und ich.«
    »Also der Ooverall«, sagte Timothy nachdenklich. »Denn wenn du ein Verräter wärst, hättest du mich kaum eingeschaltet.«
    »Schlag dir das aus dem Kopf, Tiny. Der Ooverall ist seit Jahren UNTEN und –«
    »Es wäre nicht das erste Mal, daß ein Agent jahrelang auf Eis gelegt und erst, als er eine interessante Position erreichte, aktiviert wurde.«
    »Du kennst Patrick nicht. Er ist seit über vierzig Jahren bei uns, und er hat Prüfungen hinter sich, die nur wenige überlebt hätten; er hat mehr Standhaftigkeit und Charakter beweisen müssen, als ein Agent haben könnte, für welche Belohnung auch immer er arbeiten mag. Und Erpressung? Man hat seine ganze Familie ausgerottet, seine Tochter vor seinen Augen zu Tode gefoltert – womit sollte man ihn noch erpressen können? Daß er sterben muß? Er ist ein todkranker Mann und lebt nur noch für seine Aufgabe. Außerdem nimmt er nicht an allen Tagungen des Inneren Kreises teil, und einige Informationen, die die NSA bekommen hat, kannte er nicht.«
    »Eine andere Frage, Anne: Wenn im Inneren Kreis eine Drossel sitzt, muß die NSA die Mitglieder kennen. Warum versuchen sie nicht, den ganzen IK zu eliminieren?«
    »Was würde das einbringen? Es gibt genug erfahrene und nicht weniger geeignete Brüder, die an ihre Stelle treten würden, die NSA aber müßte riskieren, daß ihre Drossel auffliegt.
    Außerdem ist es nicht einfach, den IK zu liquidieren, der jeweilige Tagungsort wird erst Minuten vorher ausgelost, und außerhalb der Tagungen treffen nie mehr als drei Mitglieder zusammen.«
    Timothy arbeitete von Tag zu Tag etwas länger und intensiver, und daß er das schaffte, gab ihm Auftrieb. Nach einer Woche konnte er sich zum erstenmal wieder ein Kalbsragout zumuten. Er fuhr auch wieder zum Sonnenuntergang in die »Stardust«-Bar hinauf. Melvin zeigte sich besorgt.
    »Sie arbeiten zuviel«, flüsterte er. »Sie sollten mal einen Arzt konsultieren.«
    »Die beste Medizin ist immer noch ein anständiger Whisky«, antwortete Timothy.
    Der Barkeeper kritzelte etwas auf seinen Block und drückte Timothy einen Zettel so in die Hand, daß die Nachbarn auf den Barhockern es nicht mitbekamen. Timothy las, während er scheinbar ganz in den Sonnenuntergang vertieft war: Ich habe eine Flasche 23er »King George« bekommen. Zwinkern Sie, wenn Sie einen wollen, aber das Glas kostet achtzig Dollar.
    Timothy zwinkerte nicht. Er bat den Barkeeper um einen Stift und schrieb auf die Rückseite des Zettels: Heben Sie mir bitte einen auf!
    Es dauerte lange, bis Anne sich meldete.
    Timothy beklagte sich wieder, daß der Quaser ihre Stimme zu einem unidentifizierbaren blechernen Klirren verunstaltete. »Hör zu, Große Schwester«, sagte er dann, »vielleicht ist es eine Schnapsidee, aber habt ihr mal versucht, die Sitzungen optisch zu blockieren, ich meine, sie nur im absoluten Dunkeln oder bei Infrarotlicht durchzuführen?«
    »Du meinst, jemand könnte sie optisch aufzeichnen und dann mit Hilfe eines Computers die Stimmen nachsynchronisieren? Darauf sind wir schon gekommen. Fehlanzeige.«
    »Habt ihr es auch mal mit stummen Tagungen probiert? Es erscheint zwar als ausgeschlossen, daß einer die Sitzungen abhören kann, aber du sagtest, ich sollte dir auch die verrückteste Idee mitteilen.«
    Knapp vierzehn Tage danach beglückwünschte Anne ihn für seine Idee. Timothy hatte inzwischen wieder einen Fall bearbeitet, eine nicht allzu verzwickte Erbschaftsangelegenheit, aber es war die Fergusson-Dynastie, die ihn engagiert hatte, und das nahm ihm die Angst, er könne für alle Zeiten von den oberen Zehntausend boykottiert werden.
    »Ich habe heute Nachricht von unserem Mann in ’Hollywood‹ bekommen«, teilte Anne mit. »Man ist dort in heller Aufregung, weil die Drossel seit zehn Tagen schweigt; das ist genau der Tag, seit dem alle Mitglieder des 1K in die Stummzeit gegangen sind, wie sie sagen, und nur noch mit Lichtschreibern arbeiten.«
    »Das heißt also, daß die NSA doch mit Abhöranlagen arbeitet.«
    »Ja, Tiny, aber wie?«
    »Ich werde Napoleon nachdenken lassen.«
    Schon zwei Tage später sagte Timothy, daß er vielleicht eine Möglichkeit sehe, das Geheimnis zu lüften.
    »Ich sage vielleicht, Große Schwester. Es
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