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Wer paßt schon gern auf Mädchen auf?

Wer paßt schon gern auf Mädchen auf?

Titel: Wer paßt schon gern auf Mädchen auf?
Autoren: Ann Mari Falk
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Dann wußte Mama, daß ihm und Stina nichts passiert war.
    „Aber nein, Kleiner. Wir sind doch Kameraden. Wir halten zusammen“, versprach Peter.
    Jan hielt das Lenkrad fest, damit der Junge nicht wegfuhr.
    „Sag Mama, daß es Stina gutgeht. Sie sitzt im Café“, erzählte Jan und zeigte mit dem Daumen über die Schulter. „Um mich braucht sie sich auch keine großen Sorgen zu machen. Wir kommen bald nach Hause.“
    „Wird gemacht.“
    Jan dachte an ein Gespräch seiner Eltern: Eines Abends, als Jan längst schlafen sollte, hörte er Mama und Papa im anderen Zimmer. Sie redeten über Peter.
    Papa sagte, er sei nett, aber wirklich keine große Leuchte. Jan vergaß zu fragen, was das bedeutet. Ein Lob war es sicher nicht.
    Peter flitzte davon.
    Er konnte radfahren. Er schlängelte sich zwischen Autos und Motorrädern hindurch. Ein Autofahrer schimpfte hinter ihm her.
    Jan rief, so laut er konnte: „Sag Mama, sie soll sich nicht aufregen. Auf keinen Fall aufregen.“
    Jan war nicht sicher, ob sie es nicht doch tat.
    Jemand klopfte Jan auf die Schulter.
    Das verabscheute er, seit ihn der unfreundliche Mann in der Straßenbahn angestoßen hatte.
    Wütend drehte sich Jan um.
    Vor ihm stand die Frau von vorhin. Sie hustete verlegen und sagte: „Ich war nicht sehr nett zu dir.“
    „Ja“, erwiderte Jan und verbeugte sich. Mama und Papa hatten ihm eingetrichtert, immer höflich zu sein.
    „Kennst du das kleine Mädchen? Ich bekomme keinen Ton aus ihr heraus.“
    „Gut kenne ich sie nicht“, antwortete Jan zögernd. „Sie kam am Samstag. Sie wohnt bei uns.“
    „Es ist vielleicht besser, du kommst mit hinein“, schlug die Frau vor. „Du siehst ja ganz verfroren aus. Armes Kind!“
    Jan sah den Tisch mit der karierten Decke und der brennenden Kerze. Er sah die Kaffeetasse der Frau und Stinas warme Schokolade. Er sah den Korb mit Brötchen, aber...
    Jan rieb seine Brille. Er mußte sich getäuscht haben. Aber das hatte er nicht.
    „Ich werde verrückt“, rief Jan. „Sie ist schon wieder weg.“
    Der Frau schien das nichts auszumachen. Sie lachte und lachte, bis sich kleine Fältchen um ihre Augen bildeten. Vielleicht war sie froh, daß Jans Kusine nicht mehr da war.
    Sie bestellte auch für Jan heiße Schokolade mit Schlagsahne.
    Jan umfaßte den Becher mit beiden Händen. Er fühlte sich sehr heiß an.
    Mamas Schokolade schmeckte viel besser.
    Jan war der Meinung, daß es richtig war, wenn Stina jetzt allein draußen in der Kälte stand. Er schielte zum Fenster. Zwischen den Schokoladekuchen war keine Stupsnase zu sehen. Über der Sahnetorte blinzelten keine himmelblauen Augen.
    „Erzähle mir etwas über die Kleine”, forderte ihn die Frau auf.
    „Sie heißt Stina. Am Weihnachtsabend wird sie sechs Jahre alt“, antwortete Jan widerwillig. „Sie ist meine Kusine vom Land. Am Samstag habe ich sie zum erstenmal gesehen.“
    „Habt ihr Streit miteinander?“
    „Sie ist dumm“, behauptete Jan.
    Diese Frau ist genau wie Mama, dachte er. Ihr gefiel das Wort dumm auch nicht, denn sie stieß ihn mit dem Fuß an. Darf eine erwachsene Frau so etwas tun?
    Jetzt lachte sie schon wieder.
    Sie mußte ja auch nicht Mama und Papa erzählen, daß Stina verschwunden ist.
    Jan wollte die Schokolade und die Brötchen wegschieben und den Kopf auf den Tisch legen und weinen. Er war müde und verzweifelt.
    Jetzt benahm sich die Frau noch sonderbarer. Sie zupfte an der Decke und deutete nach unten.
    Es dauerte einige Zeit, bis Jan verstand, was sie wollte, und unter den Tisch schaute.
    Dort saß Stina wie ein Hund auf dem Fußboden. Falls man sich einen Hund mit roten Stiefeln, karierter Hose und einem Schnurrbart aus Schokolade vorstellen kann.
    Jan streckte die Hand aus, um Stina hochzuziehen.
    „Au!“
    Stina hatte ihn gebissen.
    Dann war sie es also auch, die ihn vorhin mit dem Fuß gestoßen hatte.
    „Was für ein freches, kleines Ding“, rügte die Frau.
    Sie brachte die beiden im Taxi nach Hause und begleitete sie noch die Treppe hinauf.
    Jan klingelte. Niemand öffnete.
    Dann war Mama also noch im Geschäft. Was für ein Glück, daß Jan einen Schlüssel besaß, der an einem Band um seinen Hals hing.

    Stina stand mitten im Flur und weigerte sich entschieden, Jacke und Stiefel auszuziehen.
    „Mach es mir nicht noch schwerer“, bat Jan. „Was soll Mama denken, wenn sie dich so sieht.“ Stina kniff ihre Lippen noch fester zusammen. „Ich schenke dir auch etwas“, versprach Jan. „Etwas ganz, ganz
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