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Wer paßt schon gern auf Mädchen auf?

Wer paßt schon gern auf Mädchen auf?

Titel: Wer paßt schon gern auf Mädchen auf?
Autoren: Ann Mari Falk
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Zuckerstücke, Haushaltsrolle und Bauklötze purzelten auf den Boden.
    Stinas rundes, kleines Kinn zitterte. Sie kniff ihre Äuglein zu.
    „Heul nur“, forderte Jan sie auf, „soviel du kannst.“ Weil es hellichter Tag war, sprach er mit tiefer, schauriger Stimme. „Dann kommt die böse alte Schachtel und holt dich.“
    „Schimpfen ist gemein“, schluchzte Stina. Aus ihren Augen kullerten große Tropfen.
    „Ich habe nicht geschimpft“, verteidigte sich Jan. „Aber erzähle es nicht Mama. Petzen ist nämlich noch viel gemeiner.“
    Stina drehte sich um und wollte in den Flur laufen. Aber Jan stellte ihr ein Bein. Sie stolperte und fiel.
    „Du mußt nett zu mir sein“, weinte Stina. „Du hast es versprochen.“
    „Ich bin nett“, behauptete Jan. „Du hast keine Ahnung, was ich mir sonst alles ausgedacht hätte.“
    Es war das sicherste, auf der Fensterbank zu sitzen. Er mußte sich eben die Ohren zuhalten. Dann konnte Stina kramen und umräumen und Krach machen, soviel sie wollte.

Stina läuft fort

    Es war ein grauer und trüber Tag.
    Wollte man aus der Wohnung der Familie Andersson den Himmel sehen, mußte man das Fenster öffnen, sich auf die Fensterbank knien und sich ganz weit vorbeugen. So weit wie möglich. Und noch ein bißchen weiter.
    Jan hatte es einmal versucht. Aber Mama kam hinzu und rief erschrocken, sie bekäme einen Herzanfall. Darunter konnte sich Jan wirklich nichts vorstellen. Jedenfalls tat er es nicht noch einmal.
    Er wußte ohnehin, daß der Himmel trüb und bedeckt war.
    In Papas und Mamas Geschäft auf der anderen Straßenseite leuchteten die Lampen wie helle Sterne.
    Girlanden aus Tannenzweigen schmückten das Schaufenster und den Eingang.
    Obwohl es noch lange nicht Weihnachten war, hatte Mama die leckersten Sachen ausgestellt: roten Käse, Heringssalat, Schinken, Wurst, Sülze, Rouladen und vieles andere mehr.
    Jan lief das Wasser im Mund zusammen. Dabei war er gar nicht hungrig. Im Gegenteil. Es wurde langweilig, auf das Essen zu schauen.
    Es war viel spannender, die Autos zu beobachten, wie sie durch die großen, dreckigen Pfützen fuhren. Die Männer und Frauen auf den Gehsteigen sprangen schimpfend zur Seite, um nicht naß und schmutzig zu werden. Das sah wirklich sehr komisch aus.
    Jan lachte über ein kleines Mädchen in karierter Hose und roten Stiefeln. Sie hatte keine Mütze auf und stapfte breitbeinig und unbeholfen zur Straßenbahnhaltestelle. Sie konnte kaum laufen. Vielleicht war sie krank.
    Jan schämte sich. Ein krankes Mädchen lacht man nicht aus.
    Eine Frau in einem grünen Mantel blieb stehen und deutete kopfschüttelnd auf die Füße der Kleinen.
    Das dumme Kind setzte sich an den Randstein. Es zog den linken Stiefel vom rechten Fuß und den rechten Stiefel vom linken Fuß und tauschte beide um.

    Das kannte Jan aus eigener Erfahrung. Wenn Mama keine Zeit hatte oder müde war, hatte er oft seine Schuhe verwechselt, den Pullover verkehrt herum angezogen oder vergessen, den Reißverschluß zuzumachen.
    Mama sagte dann, er sei schlampig. Oder sie spottete: „Wie gut, daß der Kopf angewachsen ist. Professor Andersson ist heute wieder sehr zerstreut.“ Damit meinte sie natürlich ihn.
    Plötzlich stieß Jan mit dem Kopf gegen den Fensterrahmen. „Au!“
    Er schimpfte vor sich hin.
    Das kleine Mädchen mit den roten Stiefeln und ohne Mütze war nämlich Stina.
    Gleich läuft sie über die Straße und verpetzt mich bei Mama und Papa, dachte Jan erschrocken.
    Das mußte er unbedingt verhindern. Hatte sie nicht schon genug Unheil angerichtet?
    In diesem Augenblick kam eine Straßenbahn.
    Jan machte die Augen zu.
    Er wollte nicht zusehen, wenn seine kleine Kusine überfahren wurde. Sie kam vom Land und wußte doch nicht, wie gefährlich eine Straßenbahn ist.
    Er stürzte in den Flur, warf seine Jacke über und raste die Treppe hinunter.
    Er mußte Stina zurückhalten, ehe etwas Furchtbares passierte.
    Die Haltestelle lag genau vor der Haustür. Dort hielt die Straßenbahn. Die Frau im grünen Mantel stieg ein.
    Stina stand noch auf dem Gehsteig.
    „Stina“, rief Jan aufgeregt.
    Er war gar nicht mehr böse, und seine Stimme klang ängstlich.
    Aber Stina erschrak und kletterte schnell hinter der Frau in den Wagen. Die Türen schlossen sich automatisch. Die Straßenbahn bimmelte und fuhr davon.
    Jan klammerte sich an die Stange mit dem Halteschild und dem Papierkorb. Ihm wurde schwarz vor den Augen.
    Er hätte alles dafür gegeben, um jetzt mit Stina in seinem
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