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Wer lügt, gewinnt

Wer lügt, gewinnt

Titel: Wer lügt, gewinnt
Autoren: Patrícia Melo
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die Leser sich einen Scheißdreck um die Kritiker scheren. Das ist unsere Rache, sagte er. Unsere Leser interessieren sich nicht für die Kritik. Es ist nicht nur der Anstieg des Verkaufs, der mir das sagt. Ich habe noch konkretere Anhaltspunkte. Hast du schon die Briefe gelesen, die gekommen sind? Ich werde dir einen vorlesen. Hör zu, Lieber José Guber, soundso, soundso, das ist nicht der Teil, den ich suche, hier, ich hab’s gefunden, ich lese es dir vor: »Nachdem ich angefangen habe, die Z-Mantras zu praktizieren, habe ich festgestellt, daß mir oben auf dem Kopf am Stirnansatz neue Haare gewachsen sind.« Hast du gehört, Guber? Dem Glatzkopf ist das Haar nachgewachsen. Das hast du hingekriegt. Die Schweizer, die Deutschen, die Amis geben Milliarden Dollar aus, um ein Mittel gegen Haarausfall zu entdecken, sie behaupten, Haarausfall sei genetisch bedingt, und dann kommst du und beweist, daß Haarausfall mit dem Kopf, dem Geist, dem Glauben zu tun hat. Du hast eine wissenschaftliche Entdeckung gemacht, Guber. Ich habe schon überlegt, die Presse anzurufen, was meinst du? Wir zeigen ihnen diesen Brief. Den müssen diese Wichser erst mal verdauen. Das müssen sie erst mal auf die Reihe kriegen. Ein Glatzkopf, dem neue Haare wachsen!
    Das Telefon klingelte. Raimundo, der Verwalter der Fazenda, war dran und erkundigte sich nach Fúlvia. Keine Ahnung, sagte ich. Raimundo erzählte, daß er sich Sorgen mache, Dona Fúlvia habe die Fazenda vor zwei Tagen mit einem Koffer voller gefriergetrocknetem Gift verlassen, um sich mit ein paar Händlern aus Uruguay zu treffen, und sei nicht wieder zurückgekommen. Raimundo hatte schon in unserem Haus in São Paulo angerufen, aber die Hausangestellten wußten auch nichts und waren beunruhigt, weil sie angekündigt hatte, daß sie am Montag dort übernachten würde, und sie hatte sich nicht wieder gemeldet. Sie ist bestimmt verreist, sagte ich. Er war nicht dieser Meinung, sie hatte keinen Koffer mitgenommen. Ist es nicht besser, wenn ich die Polizei benachrichtige? fragte er. Nein, sagte ich, wir warten noch ein Weilchen. Wenn irgendwas ist, rufen Sie mich an.
    Ist was passiert? fragte Laércio, als ich den Hörer auflegte.
    Fúlvia, sagte ich, scheint so, daß sie verreist ist und niemandem Bescheid gesagt hat.

42
    Wollen Sie die Torte nicht anschneiden? fragte Efigênia, eine der ältesten Patientinnen des Recanto da Paz. Ich möchte gerne, daß alle auf dem Foto mit drauf sind, sagte Ingrid, rücken Sie ein bißchen zusammen dort drüben, Dona Rosário und Seu Manoel müssen in die Mitte, Isa, Sie stellen sich neben Ihren Vater, genau, Sie auch, die Krankenschwestern nach hinten, Efigênia noch ein bißchen weiter hierher, das war zuviel, ein wenig mehr dort rüber, Guber, leg den Arm um deine Mutter, genau, Achtung, bitte lächeln und … fertig.
    Das Foto war im Kasten, alle blieben noch zusammen. Ärzte, Schwestern, Patienten, alle standen sie da, im Park der Klinik, um die dreistöckige Torte versammelt, die ich extra für das Fest hatte anfertigen lassen. Nun schneiden Sie sie schon an, sagte Efigênia, schneiden Sie, Rosário. Mit dem Messer in der Hand sagte meine Mutter, daß es ihr leid tue, eine so schöne Torte wie diese, so weiß, so voller zarter kleiner Blüten, mit dem in Schokolade darauf geschriebenen Spruch: Das Brautpaar liebt Jesus, zu zerstören. Den Spruch darfst du nicht zerschneiden, sagte Manoel, da bin ich dagegen. An-schneiden, an-schneiden, an-schneiden, riefen die Patienten immer wieder und klatschten in die Hände. Das ist eine Luxustorte, sagte Manoel, nicht mal bei meiner ersten Hochzeit mit der Verstorbenen, Gott hab sie selig, habe ich so eine Torte gehabt.
    Meine Mutter bat mich darum, eine Rede zu halten. Ich? Natürlich, antwortete sie, du bist der Sohn der Braut, du mußt ein paar Worte sagen. Zum Beispiel über Gott, schlug Manoel vor.
    Ich gab diese Dinge von mir, die die Leute immer zu solchen Gelegenheiten sagen, wir befinden uns heute hier, an diesem freudigen Tag, Liebe, Frieden, Gesundheit etcetera pp, und der Erfolg war außerordentlich, einigen Patienten kamen die Tränen.
    Machst du dir wegen irgendwas Sorgen? fragte Ingrid, als ich mich mit einem Teller, den meine Mutter mir in die Hand gedrückt hatte, vom Tisch entfernte. Nein, antwortete ich, möchtest du dieses Stück Torte hier? Nein, machst du dir Sorgen wegen Fúlvia? Ich mache mir keine Sorgen, sagte ich, sie ist wahrscheinlich verreist.
    Wir blieben in der Nähe des
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