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Wer liebt mich und wenn nicht warum

Wer liebt mich und wenn nicht warum

Titel: Wer liebt mich und wenn nicht warum
Autoren: Mara Andeck
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gesagt.
    Glaube ich nicht. Ich zum Beispiel würde mich ziemlich unfrei fühlen, wenn ich mir heute noch einen Teller Insekten und Würmer für mein Mittagessen fangen müsste.

    »Warum machen die das?«, hat die Rosine gefragt und sich geschüttelt vor Graus. »Zuhause haben sie es doch viel schöner.«
    »Sie wollen nicht mehr sie selbst sein, sondern jemand ganz anderes«, erklärte ich. »Und deswegen ändern sie ihr Leben.«
    Sie schwieg und starrte auf den Bildschirm, auf dem gerade ein Mann versuchte, mit einem Feuerstein Funken zu schlagen.
    »Du, Lillifee, was wäre, wenn ich nicht ich wäre?«, fragte sie irgendwann.
    »Weiß nicht. Was glaubst du?«
    »Dann wäre ich vielleicht jemand anders.«
    »Vielleicht«, gab ich ihr recht. »Aber warum denkst du darüber nach?«
    »Weil ich dann nicht hier wäre.«
    »Doch, du könntest trotzdem hier sein«, meinte ich. »Wenn du ich wärst, könntest du das. Ich bin ja auch hier.«
    »Wüsste ich dann, dass ich du bin, obwohl ich eigentlich ich bin?«, fragte sie.
    »Vielleicht nicht.«
    »Dann bin ich vielleicht du und du bist vielleicht ich, aber wir wissen es nicht.«
    »Kann sein.« Ich sah sie an, wie sie da mit ihrer Schielbrille in meinem Bett lag und Schokolade knabberte. Sie lächelte mich an. In ihrem Gebiss fehlte unten links ein Schneidezahn. »Ich wäre eigentlich lieber du«, sagte ich zu ihr.
    »Das ist auch nicht immer nur schön«, seufzte sie.
    15.45 Uhr   Die Rosine ist eingeschlafen und ich grübele gerade vor mich hin. Da war ein Survivaltrainer in dem Film eben, der etwas gesagt hat, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Er sagte, wir Menschen seien gar nicht so verweichlicht, wie man immer denkt. Wir lebten erst seit 8000 Jahren in festen Behausungen, vorher seien wir Höhlen- oder Steppenbewohner gewesen. Und was seien in der Geschichte der Menschheit schon 8000 Jahre? Ein Wimpernschlag! Das reiche nicht, um unsere Instinkte abzutöten. Der Typ meinte, dass die noch in jedem von uns schlummern. In jedem! Und nach nur drei Tagen irgendwo fernab der Zivilisation erwachen diese uralten Instinkte angeblich zu neuem Leben. Wenn man also drei Tage lang allein in der Pampa lebt, dann träumt man anders, fühlt anders und sieht sogar anders aus. Mehr wie ein Raubtier. Man wird wieder Teil der Natur und die Instinkte erwachen.
    16.00 Uhr   Klappt das wirklich bei jedem? Also, mal ehrlich, ich glaube, bei Paps nicht. Wenn man den in der Wildnis aussetzen würde, würde er vermutlich ein blütenweißes Taschentuch auf dem nächsten Baumstamm ausbreiten, sich vorsichtig draufsetzen und so lange darüber nachdenken, was man in einer solchen Situation am besten tut, bis ein Raubtier kommen und ihn verspeisen würde.
    Mama, ja, die könnte man bedenkenlos in der Wildnis aussetzen. Nach drei Tagen könnte sie mit den Zähnen Funken für ein Feuer schlagen und nebenher mit bloßen Händen ein paar Klapperschlangen für den Grill fangen, häuten und würzen. Und mit den Zehen würde sie Löwenzahn für den Salat rupfen.
    Ich glaube, Flocke kommt eher nach Mama, er ist ein echter Überlebenskünstler. Dafür ist Rosalie eher wie Paps, verträumt und weltfremd. Und ich bin irgendwo dazwischen. Aber bestimmt könnte ich meine Instinkte mit ein bisschen Training wiederbeleben und das Raubtier in mir wecken.

    16.30 Uhr   Hmmm. Das könnte auch helfen, wenn ich Tom erobern will. Jungs stehen auf Raubtiere! Maiken sagte ja, ich solle ganz ich selbst sein. Ganz natürlich. Ganz Natur!
    16.40 Uhr   Hey, das ist doch eigentlich ein guter Plan! Das mache ich. Raus aus dem Schlafanzug, rein in die Natur. Ich gehe jetzt mit Primel in den Wald und ich weiß auch schon, wohin ich gehe: dahin, wo mit Tom und mir alles angefangen und alles aufgehört hat, genau zu dem Baum, unter dem wir uns beim Klassenfest geküsst haben. Dort werde ich meine Instinkte befragen: Haben Tom und ich noch eine Chance?
    Das Rosinchen soll sich hier in Ruhe ausschlafen. Sieht aus wie ein schlafendes Erdmännchen. Süß!

Betreff: Into the wild
    Datum: 04.06., 15:45 Uhr  
    Von: Tom Barker < [email protected] >
    An: Felix von Winning < [email protected] >
    Yo Digga,
    nein, ich weiß noch nicht sicher, ob auf der Insel ein Platz frei ist. Aber das klappt schon. Das Interesse in der Klasse war nicht besonders groß, keiner außer mir wollte auch nur ein Infoblatt mitnehmen.
    Natürlich erlebst du alles live und in Farbe mit. Logo. Ich werde meine Kamera mitnehmen und alles filmen, genau
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