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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul?
Autoren: Anette Göttlicher
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einmal, zieht mich zu sich heran und küsst mich. Ich will protestieren,will sagen, dass ich jetzt eigentlich naturtrüben Apfelsaft nippend auf seinem roten Sofa sitzen und mir anhören sollte, warum aus uns beiden nichts wird. Aber natürlich bringe ich kein Wort heraus. Einerseits, weil Reden schwierig ist, wenn man gerade leidenschaftlich und äußerst stürmisch geküsst wird. Und andererseits, weil heftiges Knutschen mit Paul tausendmal besser ist als zu erfahren, warum es bei diesen sporadischen Begegnungen bleiben wird.
    Inzwischen ist es Paul gelungen, mir meinen Mantel abzustreifen, ohne das Küssen zu unterbrechen. Immer noch Mund an Mund, dreht er mich und schiebt mich dann aus dem Flur in seine Wohnung. Ich kenne den Weg noch, o ja, ich habe nichts vergessen. Jetzt ein wenig nach links, wieder rechts, und dann   … Autsch! Das war die Ecke des Sideboards. Ist halt doch schon ein bisschen her, seit Paul mich in sein Schlafzimmer bugsierte.
    «Schlafzimmer?!?», kreischt meine innere Stimme, oder ist es das Engelchen auf meiner Schulter? «Ins Wooooohnzimmer musst du – und er soll dir gefälligst seine komischen Gründe erläutern, statt dich nach 7 2-tägigem Nichtsehen kommentarlos zu vernaschen!» Es ist das Engelchen. Es schüttelt resigniert den goldgelockten Kopf. Aus dem Augenwinkel meine ich Teufelchen zu erspähen, das fröhlich auf- und abhüpft und anfeuernd «Poppen, poppen!» ruft. Also wirklich.
    Inzwischen sind wir bei Pauls Bett angekommen. Auf einmal ergreift mich eine namenlose Gier. Während er die Knöpfe meiner Strickjacke öffnet, zerre ich sein T-Shirt aus der Hose und rupfe am Gürtel seiner Jeans. In null Komma nichts haben wir uns unserer Klamotten entledigt und stehen nackt im dämmrigen Schlafzimmer voreinander. Dann eine Atempause. Bewegungslos sehen wir uns an. Ich weiß nicht, wie es ihm dabei geht, aber ich kann kaum glauben, dass das, wonach ich mich über zwei Monate lang verzehrt habe, plötzlich zum Greifen nahe ist. Jetzt die Zeit anhalten und für immer diesen Moment, das «kurz davor» genießen, das wär’s. Verweile doch, du bistso schön. Ich kann Faust verstehen, dass er seine Seele dafür verkaufte.
    Max Goldt schrieb einmal sinngemäß, der einzige Zweck von Erlebnissen sei, sich später daran zu erinnern. Als ich das zum ersten Mal las, notierte ich mir den Satz in meinem Buch, in dem ich kluge Aussprüche sammle. Trotzdem kurbeln die schönen Erlebnisse auch die Hoffnungen an, etwas ähnlich Unbeschreibliches möge einem irgendwann noch einmal widerfahren. Gäbe es dieses Phänomen nicht, hätte ich die Sache mit Paul wohl schon nach dem zweiten geplatzten Date im Januar 2002 zu den Akten gelegt. Aber die Hoffnung auf eine Wiederholung dieses magischen Kribbelns zwischen uns trieb mich weiter – manchmal schier zur Verzweiflung, aber ich blieb dran.
     
    Der magische Moment ist vorbei. Paul bewegt sich, er hebt mich hoch und legt mich auf sein Bett. Ich drücke meinen Rücken durch, biege mich ihm entgegen und umfasse mit den Händen seine Pobacken, als er sich endlich ganz langsam auf mich sinken lässt   …
     
    Eine Dreiviertelstunde später sinke ich erschöpft auf Paul. Wir sind beide nass geschwitzt, und es gibt ein leise schmatzendes Geräusch, als mein Bauch sich an seinen schmiegt. Wir müssen beide lachen.
    «Du bist der absolute Ober-Wahnsinn!» ist das Erste, was ich von Paul höre, als wir wieder zu Atem gekommen sind. «Du aber auch!», antworte ich höchst originell. Dann schweigen wir einträchtig. Ich male Muster auf Pauls nasse Stirn, und er zeichnet mit den Fingern die Linie meiner Wirbelsäule nach.
    «Komm, lass uns duschen», meint Paul nach einer Weile, und ich rolle von ihm herunter. Duschen mit Paul. Bei der Vorstellung zieht sich mein Unterleib schon wieder lüstern zusammen. Als wir unter dem heißen Wasserstrahl stehen und ich Paul mitAzarro-Duschgel einseife, spüre ich, dass auch seine Gedanken bereits wieder in eine bestimmte Richtung schweifen.
    Ich hatte schon einige Tête-à-Têtes in feuchter Umgebung. Aber nie hat das so wunderbar geklappt wie mit Paul. Bisher hatte ich hinterher immer blaue Flecken oder Rückenschmerzen, wenn wir es nicht gleich aufgaben und doch auf das bequeme, sichere Bett auswichen. An meine Badewannenerfahrung denke ich lieber erst gar nicht zurück.
    Ich glaube, Paul und ich passen einfach perfekt zueinander, sowohl geistig als auch körperlich. Wir treiben es unter der Dusche, als würden wir
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