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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul?
Autoren: Anette Göttlicher
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Dunkelhaarigen keines Blickes würdigte. Der da drüben, der hatte kurze, strubblige, blonde Haare wie Paul   … Und der an der Bar ungefähr seine Figur. Ein nagendes Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. So etwas wie   … Sehnsucht. Ich lehnte mich an die kühle Stahlwand und schloss die Augen. Wenn Paul jetzt hereinkäme («Der geht doch nicht in solche ‹Hin und Mit›-Schuppen», sagte meine innere Stimme), also, wenn er trotzdem zur Tür hereinkäme   … in beigen Jeans und einem weißen Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln   … Er würde sich suchend umsehen   … mich entdecken   … Würde sein unverschämt süßes Grinsen aufsetzen und auf mich zusteuern   … Sich zu mir hinunterbeugen, «Naaaa?» sagen und mich dann küssen   … («Wer weiß, wen er gerade küsst», zeterte die innere Stimme, «das Hochwasser ist längst abgeflossen, und er hat sich immer noch nicht bei dir gemeldet!»)
    «Aua!», kreischte eine mir sehr vertraute Stimme, und ich riss die Augen auf. «Warum trittst du mich?» Ich versuchte, Marlene etwas von meiner durchaus tretwürdigen inneren Stimme und Paul im Hochwasser zu erklären. Sie schaute mich besorgt an. «Mädels, ich glaube, Marie kippt gleich um», rief sie, undehe ich protestieren konnte, hatten sie mich aus dem Club bugsiert. Woraufhin Beate vor lauter frischer Luft einen Kreislaufkollaps bekam. Was nichts daran ändert, dass es später heißen wird: «Wisst ihr noch? Alexas Junggesellinnenabschied, bei dem Marie in der Disco zusammengeklappt ist?»
     

MONTAG, 2.   SEPTEMBER 2002 – BRIEF AN PAUL
    München, 2.   September 2002
    Lieber Paul,
    ich glaube ja eigentlich nicht, dass du das hier jemals lesen wirst. Trotzdem – falls wir uns je wieder sehen   …
     
    Natürlich werde ich ihm diesen Brief nie im Leben geben. Aber es tut gut, ihn zu schreiben.
     
    Wahrscheinlich kannst du’s dir nicht vorstellen, aber ich denke wirklich permanent an dich. Morgens, wenn ich aufwache und mein Handy einschalte, um nachzuschauen, ob vielleicht eine SMS von dir da ist. Dann auf dem Weg zur Uni oder zu einem meiner Jobs – wusstest du, dass die Straße, in der du wohnst, so liegt, dass man quasi immer daran vorbeikommt?
     
    Bullshit. Ich komme dauernd zu spät, weil ich immer Umwege über Haidhausen mache.
     
    Dann kommt das Lied im Radio, von dem ich dir bei unserem Treffen erzählt habe. Obwohl wir es nie zusammen gehört haben, ist es das Paul-Lied für mich   … O Paul, ich vermisse dich, deine grünen Augen, deine Stimme, deinen Blick, deinen Händedruck, deinen Kuss   …
     
    Gott, wie kitschig. Und geklaut von Goethe: «Und seiner Rede Zauberfluss/​Sein Händedruck/​Und ach! sein Kuss!» Faust   I.   Immerhin studiere ich nicht umsonst Germanistik.
     
    Was ist denn das? Meine Handtasche bewegt sich. Spinne ich? Sie kommt auf der Tischplatte auf mich zu. Es dauert circa zehn Sekunden, bis ich begreife: Das Handy vibriert in der Tasche. Etwa eine SMS? Tatsächlich. Wird wohl Vroni sein, die heute auf die Blade Night gehen will. Ich speichere meinen angefangenen Brief an Paul und drücke auf «Lesen». GAAAAAH! «Hey, Marie, ich bin wieder da. Endlich. Habe dich vermisst. Bin total fertig. Brauche viel Zuneigung und Zärtlichkeit. Paul.» Klar, jetzt muss ich als begehrenswerte Frau mindestens eine Woche mit meiner Antwort warten   … Ich fange an zu tippen: «Das könnte sich einrichten lassen. Sofern ich diejenige bin, von der du das gerne hättest   …» Schwupp, weg damit. Zitter. Drei endlose Minuten später: «Natürlich du. Kommst du mich besuchen?» Dann eine Uhrzeit und eine Adresse. Hab ich doch längst recherchiert, Paul. Wozu hat man Freunde bei der Polizei. Mist, schon in einer halben Stunde. Keine Zeit zum Duschen. Schnelle Katzenwäsche, Zähne putzen, Deo, frische Unterhose (man weiß ja nie, Marie), Wimperntusche, lecker Blistex Silk&Shine aufgetragen und ab die Post. Während ich durch den Mittagsverkehr radle, verdränge ich den Gedanken an das, was ich da gerade tue. Der Kerl lässt mich drei Wochen lang zappeln, und dann schnippt er mit dem Finger, und ich eile. Aber egal, ich will jetzt meinen Spaß!
    Zwanzig Minuten später fahre ich in der mir wohl bekannten Straße vor. Tief durchatmen. Klingelknopf drücken. Gaaaaaaaanz ruhig, Brauner. Paul öffnet die Tür. Oh, wow. Er sieht noch viel besser aus als in meiner rosaroten Erinnerung. «Marie   …», sagt er nur, und dann küsst er mich. Meine Knie werden
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