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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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verschmiertes Kleid an und seufze. Es sieht wirklich fürchterlich aus. Ich reibe mit feuchten Papiertüchern auf den großen Schokoflecken am Bauch herum und mache damit alles nur noch schlimmer. Währenddessen schimpfe ich lauthals über Franziska. Wieso macht sie so was? Ich hatte ihr doch Schokokuchen angeboten!
    »Nicht wackeln, Luisa«, gebietet Marie, die gerade ein paar Haarnadeln aus meiner Frisur klaubt und neu feststeckt.
    »Aber mein Kleid ist hin«, jammere ich.
    »Ja, das sehe ich doch.«
    »Muss ich jetzt wirklich auf meiner Hochzeit den ganzen Abend mit einem verschmierten Kleid rumlaufen?«
    »Nein, musst du nicht.«
    »Ach so?«, frage ich in leicht patzigem Ton. »Gibt’s hier im Wasserwerk einen Brautmodenladen, der bis Mitternacht offen hat? Oder willst du mit mir Klamotten tauschen, Marie?«
    »Ganz sicher nicht, Luisa. Aber vielleicht erinnerst du dich noch an dein Kleid vom Standesamt, das, ich zitiere, ›eigentlich fast so schön ist wie das Brautkleid‹?«
    »Ja. Aber das ist nicht hier!«
    »Ein bisschen Geduld, mein Fräulein. Francesco holt es gerade aus meinem Auto.«
    Langsam drehe ich mich zu Marie um, die ein Grinsen nur mühsam unterdrücken kann.
    Und da verstehe ich. »Ihr habt gedacht, ich versaue es beim Essen.«
    »Dein Bruder dachte das. Ich dachte eher, du schüttest dir Rotwein drüber, kleiner Tollpatsch. Da sieht man, dass wir dich aus unterschiedlichen Lebensphasen kennen.«
    Überwältigt küsse ich Marie auf die Wange und jubele: »Ihr habt mein Kleid mitgebracht! Ihr habt mich gerettet!« Wir fallen uns mit etwas Sicherheitsabstand wegen der Schokoflecken in die Arme und drehen uns im Kreis.
    »Hey, dafür sind Trauzeugen und Freundinnen doch da, oder?«, verkündet Marie nicht ohne Stolz. »Jetzt dreh dich noch mal zum Spiegel um, ich hab gerade die letzte Nadel festgesteckt.«
    Andächtig drehe ich mich zurück. Ich habe wieder eine Frisur. Sieht ein bisschen zerzaust aus, aber auf eine gute Art. Marie kramt in ihrer riesigen, beutelförmigen Tasche und holt eine Dose Haarspray raus, mit der sie mich einnebelt.
    »So, das sollte halten. Jetzt schälen wir dich aus diesem Schokoriegelkostüm. Dann trinkst du zwei Gläser Champagner, und schon sieht die Welt wieder schön aus.«
    »Juhu!«
    Mark
    Als Luisa nach einer gefühlten Ewigkeit die Damentoilette wieder verlässt, trägt sie ein Champagnerglas in der Hand und das sexy Kleid vom Standesamt am Leib. Langsam kommt sie auf mich zu und lächelt mich an. »Gefällt es dir noch?«
    »Gefallen? Man sieht deine Beine!« Begeistert strahle ich sie an. Die Frau. Die Beine natürlich auch. »Wollt ihr tanzen?«, frage ich die zwei.
    Auf der Tanzfläche werfen meine Halbschwestern ihre Hände in die Höhe und bewegen sich lasziv auf Luisas italienische Cousins zu, deren Latin-Lover-Masche wohl endlich die erhoffte Wirkung zeigt. Süß, die jungen Leute. Hormone im freien Fall. Eigentlich sollte ich die jungen Damen warnen, aber Rebekka und Judith sind schon groß, und ich bin nicht ihr Papa. Überflüssig zu erwähnen, dass ich mich in Liebesdinge, die nicht mich betreffen, nicht einmische.
    Dominik und Anette legen unterdessen einen flotten Diskofox aufs Parkett, Priska und Richard bewegen nur cool ihre Arme, Marie küsst Francesco leidenschaftlich, die Nonna führt den Monsignore lächelnd übers Parkett, Carlo und Valentina tanzen eng umschlungen. Nur Lilly steht alleine da. Barnie ist damit beschäftigt, den völlig fertigen Mike über Franziskas Auftritt aufzuklären. Offenbar hat er ihm währenddessen auch ein paar Schnäpse eingeflößt auf den Schrecken. Wir nehmen Lilly in unsere Mitte. Als der DJ abrupt die Musikrichtungen wechselt und plötzlich »Ah, push it! P-push it real good! Oooh, baby, baby« den Saal erfüllt, verliert Lilly kurz das Gleichgewicht und fällt in meine Arme.
    »Alles klar?«, schreie ich gegen Salt’n’Pepa an. Lilly schüttelt den Kopf.
    »Fruchtblase«, lese ich von ihren Lippen ab.
    Wir stehen in einer Pfütze.
    Viel Zeit bleibt vermutlich nicht mehr. Lilly sollte schnell in eine Klinik, wenn ihr Kind nicht im Wasserwerk auf einer Hochzeitsparty zur Welt kommen soll. Luisa hilft der werdenden Mutter auf einen Stuhl und wedelt ihr mit einer Stoffserviette Luft zu. Sie redet beruhigend auf Lilly ein, aber mehr um sich selbst zu beruhigen. Denn Lilly ist absolut cool, als hätte sie das schon öfter gemacht. Ich suche den werdenden Vater. Der steht noch immer neben Mike am Eingang. Mike
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